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Bagida-Demo: Am Ende waren sie eingekesselt

„Komm doch ’n bisschen näher, Süßer, ich hör‘ dich nicht!“ Der Typ mit dem Anarchie-Zeichen auf der Lederjacke in der ersten Reihe lehnt sich über den Zaun. Auf der anderen Seite, auf dem Platz vor der Matthäuskirche, formieren sich die Bagida-Demonstranten. „Scheißkommunisten!“, schreit einer der Männer zurück, er hält eine Deutschland-Fahne in der Hand. In Zeitlupe entrollen sie ihre Plakate mit Messages wie „Stoppt die Islamisierung Europas“. Sie nähern sich der Absperrung, schieben sich an den Polizisten vorbei. Dann zückt einer sein Smartphone und hält es dem Anarchisten unter die Nase. Er keift: „Gib mir deine Handynummer, dann können wir uns später treffen.“

Es ist 18.20 Uhr. Seit einer Stunde versammeln sich die Teilnehmer der Münchner Gegendemo gegen den Bagida-Zug vor dem Sendlinger Tor. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) eröffnet die Versammlung, spricht über den Anschlag auf die französische Redaktion von Charlie Hebdo. Bands lösen die Sprecher ab, die Musik verebbt wieder und lässt Platz für die Rufe der knapp 20.000 Demonstranten vor dem Sendlinger Tor. Ein älterer Herr schiebt sich durch die Menge, hält kurz inne und fragt: „Ist das hier die Pegida?“ Die Umstehenden lachen und meinen: „Nein – aber bleiben Sie ruhig hier, hier ist es besser.“ Sein „Ich bin ja nicht gegen Ausländer, aber…“-Satz geht in dem Lärm der Menge unter.

 

„Abendland – Was war dein Morgen?“

 

250 Bagida-Anhänger finden sich auf dem Platz vor der Matthäuskirche ein. Ausgerüstet mit deutschen und bayerischen Flaggen, mit Schildern wie „Stoppt den Import von Gewalt und Kriminalität“, mit „Multikulti Genderwahn; Rosarote Geisterbahn“. Sie bauen Kameras auf, filmen die Gegendemonstranten. „80 Neonazis sind bei denen mit dabei“, hört man einen Sprecher der Gegendemo über den überfüllten Platz rufen. Diese sind leicht in der verschwindend geringen Menge der Bagida-Teilnehmer auszumachen: Runen-Tattoos, Glatzköpfe, Quarzsand-Handschuhe.

„Wir sind das Volk!“ Die Bagida-Anhänger machen sich warm. Die Gegendemonstranten brüllen: „Wirr ist das Volk“, „Haut ab“ und „Nazis raus!“ Dann, 18.30 Uhr, setzt sich Bagida in Bewegung. Abgeschirmt von Polizisten und Absperrungen laufen die mittlerweile 800 Teilnehmer Richtung Stachus und treffen dort auf weitere Unterstützer. 1.500 sind es letztendlich, ein Gemisch aus Bürgern und Rechtsradikalen, das sich in dem einen Ziel vereint sieht: das Abendland vor dem Untergang zu retten. Aber vor dem Abend kommt der Morgen und 20.000 Menschen verfolgen die Islamfeinde bis zu ihrem Versammlungsort am Karlsplatz.

 

Flucht in den Untergrund

 

„Wir müssen weiter vor!“ Die Menge drängt gegen die Polizisten, die angespannt den Gegendemonstranten entgegen starrt. „Siehst du was?“ Ein Mädchen dreht sich zu ihrer Freundin um, die nur den Kopf schüttelt. „Was ist denn da vorn jetzt los?“ Eine Polizistin schiebt das Visier ihres Schutzhelmes zurück. „Die halten jetzt ihre Reden“, zuckt sie mit den Schultern und geht wieder in Abwehrhaltung. Plötzlich, ein anschwellendes Buh-Rufen: Einige Bagida-Anhänger kommen, ihre Versammlung scheint zu Ende zu sein. „Schämt euch!“ Die Gegendemonstranten formieren sich, schreien sich heiser, während ihre islamfeindlichen Mitbürger winkend vorüberziehen. „Die gehen jetzt bestimmt direkt in den Puff.“ Eine Teilnehmerin in der ersten Reihe grinst. „Vielleicht sind die dann endlich mal entspannter und nicht mehr so aggro.“ In der Ferne sind Menschen zu erkennen, die auf die Tram-Haltestelle klettern. Sie heben die Fäuste, schwenken ihre Fahnen.

20.30 Uhr, der Spuk ist vorbei. Knapp zwei Stunden lang umlagern die Gegendemonstranten den kleinen schwarz-rot-goldenen Fankreis auf dem Stachus, bis sich dieser in die U-Bahn-Station verzieht. Jubelrufe werden laut, die Islamfeinde sind abgezogen. Während der Demo kommt es zu fünf Verhaftungen, vier davon auf der Seite der Gegendemonstranten, eine aus den Reihen der Bagida-Anhänger. Die Menge löst sich auf, die Kälte schleicht sich zwischen die übrig gebliebenen Teilnehmer und Polizisten. Von der Versammlung bleibt schließlich nichts zurück außer leere Bierflaschen und Konfetti auf der Straße. Sonst nichts. Bis auf das unbestimmte Gefühl, noch weitere Montagabende gegen den Pegida-Ableger auf die Straße gehen zu müssen.

 

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Bildquelle: Privat