Barbie Hype Gesellschaft

Barbie wird kurvig: Warum eine Plastikpuppe unsere Dauer-Hysterie verkörpert

Barbara Millicent Roberts hat uns alle durch unsere Kindheit begleitet. Entweder weil wir sie jahrelang an- und ausgezogen haben, weil wir sie schon immer extrem bescheuert fanden oder weil wir immer eine haben wollten und nie bekamen.

Barbie hat Kultstatus und das schon seit Mitte der 60er-Jahre. Von Anfang an schieden sich die Geister an der Blondine, die einen liebten sie, die anderen kritisierten ihr starkes Make Up, das Frauenbild, das sie vermittelte und ihre unrealistischen Maße. 99-46-84 ist dann eben doch nicht die Norm, wenn der Platz für alle Organe fehlt.

Jetzt ist Barbie wieder Gegenstand einer emotionalen Diskussion, denn der Hersteller Mattel hat Puppen mit neuen Körperformen auf den Markt gebracht. Barbie gibt’s jetzt in „curvy“, „small“ und „petite“. Unter dem Hashtag #TheDollEvolves werden die neuen Plastikpuppen im Netz gefeiert. „Willkommen im Jahr 2016“, „Längst überfällig“ oder „Barbie Dolls are inspiring little girls to be anything they want“, wird getwittert.

 

Kann die kurvige Barbie den Umsatz retten?

 

Nachdem Barbies Verkaufszahlen von 2012 auf 2014 um 20% gesunken waren, wie das Time Magazine berichtet, ist die neue Barbie ein cleverer Schachzug von Mattel, um auf den „#Body Positivity“-Zug aufzuspringen.

Gegen die Weiterentwicklung ist absolut nichts einzuwenden und Kindern eine rundlichere Barbie zum Spielen vorzusetzen ist mit Sicherheit gut und richtig.

Ich glaube, dass es für Kinder wichtig ist, zu wissen, dass es verschiedene Körperformen und Hautfarben gibt, dass nicht alle Menschen gleich aussehen und es gut ist, sich zu unterscheiden.

Ich weiß aber auch, dass es mir als Kind scheißegal war, welchen Taillen- oder Brustumfang meine Barbie hatte. Welche Hautfarbe oder Haarlänge. Wichtig war, was ich mit ihr machen konnte. Dass ich sie ihren Ken kennenlernen lassen konnte, sie einen romantischen Campingurlaub zusammen machten und beide nie um acht ins Bett gehen mussten. Das Drama damals war, dass meine Schwester Ken eine Glatze verpasste und nicht, dass Barbie irgendwie dünner war als meine Mutter, meine Nachbarin oder meine Lehrerin.

 

Verzerrt Barbie wirklich das kindliche Realitätsbild?

 

Barbie gibt es seit mehr als einem halben Jahrhundert und noch vor zwanzig Jahren hat kaum jemand einen drohenden Identitäts- oder Realitätsverlust für seine Kinder befürchtet, wenn er ihnen eine Prinzessin, Meerjungfrau oder Strand-Blondine kaufte.

Barbie gab es einfach, sie hatte verschiedene Klamotten, Autos, Hunde, Häuser und vor allem Ken. Fertig, Aus. Hat das der Generation unserer Eltern in irgendeiner Art geschadet? Sind unsere Mütter alle in therapeutischer Behandlung, weil ihr Taillenumfang keine 46 Zentimeter misst?

„Body Positivity“ ist der Trend der Stunde, den unsere Generation auf die Spitze getrieben hat. Jeder gibt vor, zu seinem Körper zu stehen, alte Körperideale über Bord zu werfen und stolz darauf zu sein, keinen 08/15-Körper zu haben. Gleichzeitig boomt der Fitnesstrend so sehr wie nie zuvor, bewusste Ernährung und Veganismus stehen extrem hoch im Kurs, aber die Kinder sollen lernen, wie wichtig es ist, sich zu unterscheiden und dass nicht jeder dünn sein muss. Diese Doppelmoral ist das eigentliche Problem. Ist wirkliche Selbstliebe und Selbstbewusstsein nicht erst dann gegeben, wenn man als erwachsener Mensch in einer Plastikpuppe kein Schönheitsideal oder eine Bedrohung sieht?

Natürlich ist es eine schöne Sache, Kindern durch Barbies in allen Farben und Formen mit auf den Weg zu geben, dass nicht jeder gleich ist. Die neue Barbie ist eine schöne Idee und wenn ich Kinder hätte, würde ich vermutlich auch eher zur rundlicheren Barbie als zur Playmate-Barbie greifen.

Was mich verwundert, ist die Hysterie erwachsener Menschen, die diese Plastikpuppe auslöst. Unter dem Hashtag #TheDollEvolves lassen sich über 2000 Instagram-Posts finden, die die neue Barbie abfeiern.

 

https://instagram.com/p/BBGM77dw4pe/

 

Die Frage, die #TheDollEvolves für mich aufwirft, ist aber gar nicht, ob die neue Barbie gut oder schlecht, notwendig oder unsinnig ist. Die Frage ist, woher diese Hysterie in unserer Gesellschaft kommt, die dazu führt, dass sich überhaupt jemand Gedanken darüber macht, eine kurvige Barbie produzieren zu müssen.

 

Der Hype um Körperideale und seine Auswirkungen

 

Wieso wir in allem etwas potenziell Negatives, Schädliches oder Falsches sehen. Wieso jemand der Leiterin der Marke „Barbie“ Hass-Mails und Todesdrohungen schreibt, weil sie eine zu dünne Plastikpuppe vermarktet.

Durch den ganzen Hype in sozialen Netzwerken, auch von hysterischen Müttern getrieben, gelangt das Thema Körperideale doch noch viel eher in die Kinderzimmer und mit ihm zwangsläufig auch die Frage, ob der eigene Körper nicht doch zu dünn, zu dick, zu klein, oder zu groß ist. Das Problem, wie ein Kind reagiert, wenn es die „dicke“ Barbie geschenkt bekommt anstatt der dünnen. Was passiert, wenn der kurvigen Barbie auf einmal die alten Klamotten nicht mehr passen.

Man kann seine Kinder nicht vor allem beschützen, schon gar nicht durch eine Barbie. Ein Blick in den Fernseher reicht, und man wird konfrontiert mit sehr dünnen, sehr schönen und sehr künstlichen Menschen. Oder eben mit sehr kurvigen, wie Beyoncé oder Kim Kardashian, denen die neue „curvy“ Barbie auffällig ähnlich sieht.

Die neuen Puppen stehen also nicht für die Loslösung von Körperidealen, sondern einfach nur dafür, dass es eben mittlerweile mehrere dieser Ideale gibt. Denn wenn man ehrlich ist, hat Beyoncé zwar breitere Hüften als Barbie, Speckrollen oder Orangenhaut sucht man aber auch bei ihr und der neuen Barbie vergeblich.

Sollten wir uns also vielleicht einfach mal ein bisschen enstpannen und Barbie Barbie sein lassen? Zu unserem Körper stehen, ohne das jedem auf Facebook und Instagram mitteilen zu müssen? Uns und den Kindern eingestehen, dass es nun mal die Wahrheit ist, dass manche Menschen äußerlich attraktiver sind als andere, es aber weitaus wichtigere Werte gibt?

 

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Bildquellen: Instagram; Twitter