Trisomie 21 Sigga Ella First and foremost I am

Dieses Fotoprojekt zeigt die Vielfalt von Menschen mit Down-Syndrom

Wahrscheinlich haben wir alle im Unterstufen-Biologieunterricht zum ersten Mal etwas von Chromosomen gehört. Und sicherlich waren wir alle gleichermaßen beeindruckt von der Tatsache, dass diese 46 Chromosomen im Zellkern alle persönlichen Eigenschaften, unser Aussehen und unser ganzes Ich bestimmen. Die Informationen über Gregor Mendel und seinen Grundlagen der Genetik hatten wir zwar am Ende der Unterrichtsstunde schon wieder vergessen, aber die Frage, wie zur Hölle diese 23 Chromosomenpaare unsere Augenfarbe, die Haarestruktur und sogar das Geschlecht bestimmen können, spukte uns noch Wochen im Kopf herum. Diese ganze Sache mit den winzigen Chromosomen in unseren winzigen Zellen war für unser Sechstklässler-Gehirn schon ziemlich schwer zu begreifen.

Und auch die Tatsache, dass schon kleine Veränderungen der Chromosome die Gesundheit schwer beeinträchtigen können, war eine Information, die nicht wirklich einfach nachzuvollziehen war. Auch Trisomie 21 wurde uns als Krankheit erklärt, bei der nur ein Chromosom verändert ist. Bei gesunden Menschen liegt dieses Chromosom zwei Mal vor, Menschen mit dem sogenannten Down-Syndorm besitzen das 21. Chromosom drei Mal. Die dreifache Ausführung nur eines einzigen Chromosoms führt bei den Menschen mit Down-Syndorm zu schweren Beeinträchtigungen der Gesundheit und der Entwicklung. Herzanomalien und Störungen im Verdauungstrakt sind typische Krankheitssymptome. Außerdem erkranken vor allem Kinder oft an Infektionen, weil das Immunsystem stark unterentwickelt ist. Die Schilddrüse kann durch eine Über- oder Unterfunktion geschädigt sein und Hör- und Sehschäden beeinträchtigen das tägliche Leben. Auch die Lebenserwartung verschlechtert sich durch das Down-Syndrom.

 

Entscheidung für oder gegen das Leben

 

Seit den 1980er Jahren gibt es für werdende Eltern die Möglichkeit der pränatalen Diagnostik. Die Untersuchung hilft, Erbkrankheiten wie das Down-Syndrom frühzeitig festzustellen und dann die Entscheidung über eine Abtreibung zu ermöglichen. Denn bei den schweren gesundheitlichen Schäden stellt sich für viele Eltern die Frage, ob sie ein Kind mit Down-Syndrom überhaupt bekommen wollen. Wer jetzt denkt, dass sich nur die Wenigsten für eine Abtreibung entscheiden, der irrt. Laut der Welt treiben 9 von 10 Frauen ihr Baby ab, wenn sie die Diagnose Down-Syndrom erhalten. Schon seit Beginn dieser Untersuchung steht sie deshalb auch stark in der Kritik.

„Ich bin nicht gegen pränatale Diagnostik. Aber ich denke, dass wir an einem Punkt angelangt sind, wo wir innehalten und uns fragen sollten, was als Nächstes kommt. Es ist notwendig, anhand dieser Frage die Diskussion zu beginnen und die Menschen mehr über das Down-Syndrom aufzuklären“, erklärt die Fotografin Sigga Ella gegenüber CNN. Dass sich die Fotografin nicht ganz gegen die pränatale Untersuchung positioniert, ist erstaunlich. Denn eigentlich steht sie mit ihrer Bilderstrecke „First and foremost I am“ für eine ganz andere Einstellung. Eine Einstellung, die „Ja“ sagt zum Leben – auch mit Trisomie 21. „Ich habe das Foto-Projekt begonnen, weil ich im Radio eine Diskussion im Bezug auf pränatale Untersuchungen gehört habe und weil ich selbst eine wundervolle Tante mit Down-Syndrom habe“, erklärt Sigga gegenüber ZEITjUNG ihre Motivation.

 

Die Vielfalt der dreifachen Ausführung des 21. Chromosoms

 

21 Bilder umfasst die Fotostrecke von Sigga Ella. Die Menschen, die porträtiert werden, sind alle völlig verschieden und haben doch eine Gemeinsamkeit. Das dreijährige Baby, genauso wie die 60-jährige Frau haben das Down-Syndrom und leiden an den verschiedenen Auswirkungen der Krankheit. Ihr Aussehen lässt einige der typischen Krankheitsbilder erkennen, aber trotzdem strahlt jeder von ihnen etwas aus, das die Krankheit nicht beeinträchtigen kann. Sie sehen glücklich aus.

Besonders sind Ellas Fotos gerade deshalb, weil diese glückliche Ausstrahlung nicht gestellt wirkt. Anders als bei vielen Fotostrecken mit Menschen mit Down-Syndrom wirkt hier nichts erzwungen. Die Menschen sitzen einfach auf einem Stuhl vor einem schönem Hintergrund. Keine geschwollene Kulisse, keine unwirklichen Kostüme. Einfach Menschen, die sich offensichtlich wohlfühlen, wie sie sind. Die Bilder sollen jetzt auch in einem Buch veröffentlicht werden, das durch eine Crowdfunding-Kampagne finanziert werden soll. „Ich hoffe meine Bilder zeigen, wie wunderschön und unterschiedlich die Menschheit ist und das sie dem Betrachter zu denken gibt, ob eine Zukunft ohne diese Vielfalt wünschenswert ist“, erklärt die Fotografin das Ziel ihrer Arbeit.