Erinnerungsguerilla: Was fehlt dir zum Glück?
Mit Musik auf den Ohren und Hektik im Kopf hetzt du durch die Straßen. Du hast ein klares Ziel vor Augen, bist aber spät dran. Jeder, der dir in die Quere kommt, wird zum vorübergehenden Endgegner im Mario Kart des echten Lebens. Dann bleibt dein Tunnelblick kurz an etwas haften: Eine kleine Frage hat sich in dein Bewusstsein eingeschlichen, zwischen den pragmatischen Gedanken bleibt sie plötzlich einfach kleben: Tut es gut, was du machst?
Die Erinnerungsguerilla verteilt auf Post-its Fragen über unser Leben, an gut sichtbaren Orten im (Groß-)stadtdschungel platziert: „Was ist dir wirklich wichtig?“, „Wofür lebst du?“, „Was fehlt dir zum Glück?“ Es ist ein klitzekleines Aufhorchen in unserem Trott der ewig gleichen Abläufe. Ein kleiner Reminder, dass es neben der Entscheidung für den schnellsten Weg, den Sorgen um Abgabefristen und die Länge unserer Einkaufsliste noch andere Dinge gibt, die in uns schlummern und denen wir ab und zu auch Aufmerksamkeit schenken dürfen.
Die Welt voller Fragen
„Es war ein Experiment“, erklärt die Initiatorin Susan Barth gegenüber der Deutschen Welle, „ein Experiment, von dem ich letztes Jahr noch nicht wusste, ob es funktionieren würde. Aber es funktioniert. Fragen in deinem Kopf zu haben, auch wenn du ihre Antworten nicht kennst, ist eine sehr gesunde Art, in Kontakt mit deinem persönlichen Lebensweg zu bleiben“. Die Psychologin startete das Projekt 2012 in Berlin. Mittlerweile sind die Sticker nicht nur in unserer Hauptstadt verteilt, auch in Köln, München, Essen, Heidelberg, London, Zürich, Barcelona und auf Ibiza werden die Menschen an die wirklich klebrigen Fragen des Lebens erinnert.
Über die Homepage kann sich jeder Frageblöcke besorgen und ein Erinnerungs-Aktivist werden. Das Crowdfundig Projekt funktioniert durch Schenkungen: Mit 2€ sind die Materialkosten gedeckt, mit jedem Euro mehr wird das Projekt zusätzlich unterstützt. Hier gibt es auch das Erinnerungsguerilla-Kit zu kaufen, ein Buch von Susan Barth, das auch zwei Stickerblöcke enthält.
Was am Ende bleibt: Eine kleine Gedankenkrise
Auch wenn wir auf so viele Fragen keine Antwort kennen, ist es dennoch hilfreich, sie uns zu stellen. Weil sie etwas wach rütteln in uns, weil sie etwas in Gang setzten und uns innen beweglich halten. „Der Gedanke, dass nur Krisen Kurskorrekturen mit sich bringen, machte mich nachdenklich“, erzählt Susan gegenüber Aktion Mensch. Die Fragen sollen kleine Krisen im Kopf auslösen, denn es brauche oft nur einen kleinen Funken, um Veränderung entstehen zu lassen. Ein Grund mehr, mit offenen Augen durch die Straßen zu gehen: Vielleicht entdecken wir an der nächsten Straßenlaterne ja einen kleinen gelben Zettel mit dem nötigen Schubs Erinnerung.