Event-Uni-Cheerleader

Event-Uni: Wir wollen Spaß!

Das Sachlage:

 

Es ist Semesterbeginn und die Uni („Die Uni“ steht hier stellvertretend für alle kleinen und großen (Campus-) Universitäten Deutschlands in Klein-, Groß- und Universitätsstädten) erwacht zum Leben. Es ist Wintersemester – und das ist bekanntlich, genau wie Malle, nur einmal im Jahr. Zeit für eskalierende Erstsemester, gelangweilte Studierende zwischen dem zweiten und fünften Bachelorsemester, gestresste Bachelor/etten und ausdauernde Master/etten. Irgendwo dazwischen tummeln sich studentische Hilfskräfte, mies verdienende Dozenten und allwissende Professoren. Sie alle schwimmen in einem Pool von Vorlesungen, Kursen, Seminaren, Übungen, Projekten, Hochschulsport, Erasmus, Unichor, Gastvorträgen, Kongressen, Unifesten und Erstiwochen. Nebenbei bleibt noch Zeit der eigenen Uni ein „Gefällt mir“ auf Facebook schenken: Deutsche Universitäten sind vielseitig und wissen mittlerweile auch, wie man ein Facebookevent moderiert. So viel zum Kontext.

 

Das Problem:

 

Universitäten haben sich verändert – so manchen gefällt das nicht. Ganz vorne dabei: Der Göttinger Professor Dietmar von der Pfordten, der in der ZEIT seine Meinung kundtut. Er findet Studenten seien nur noch auf der Suche nach Spaß und Erlebnis. Kurz: Er beklagt den Zustand deutscher Unis, denn wir wollen Event-Unis und bekommen sie auch noch.

Es sind die ominösen Werte, die verloren gegangen sein sollen. Welche genau? Von der Pfordten beklagt den Schwund von Bildung, Selbständigkeit, Geist, Freiheit und Leistung. All das soll in den letzten Jahren auf der Strecke geblieben sein, denn der Konsum hat die Bildung ersetzt. Ständige Überprüfung des Wissens ist an die Stelle von geistiger Selbstständigkeit und der daraus folgenden Freiheit getreten. Leistung wird wertlos, da kaum ein Dozent so herzlos sei und schwache Studenten reihenweise durch Prüfungen fallen lasse. Und bezüglich des abstrakten Gedankens des „Geistes“ – hier hat von der Pfordten, ein Mann mit beeindruckendem Lebenslauf, seine Hoffnung komplett aufgegeben: Geiler Job, dicker BMW und die „äußeren Werte“ seien an die Stelle von „schönen Gärten, handwerklich qualitätsvollen Haushaltsgegenständen und guten Manieren“ getreten.

 

Die Realität:

 

Liest man solche Zeilen, als einer dieser angeblich so ziellosen und gleichzeitig machtgeilen Studenten, muss man erst mal durchatmen – ist von der Pfordten nur ein unglaublich pessimistisch-nostalgischer Mensch oder hat er Recht? Sex, Drugs und Vorlesung? Dass Reclamheft-lesende, selbstgerechte Zigarette-rauchende und nachlässig, aber trotzdem lässig-gekleidete Studenten der Vergangenheit angehören, wissen wir auch. Ein Besuch bei einer beliebigen Erstsemester-Veranstaltungen an einer deutschen Uni ist ausreichend, denn danach ändert sich Lifestyle-mäßig oft nicht mehr viel. Miesepeter von der Pfordten beklagt vielleicht einfach nur die fehlende Coolness deutscher Studenten und weiß es noch nicht – denn das müssen sich auch die funkiesten Kommilitonen eingestehen – früher war es lässiger.

Es hat sich tatsächlich etwas getan an deutschen Universitäten, aber ob sich das wirklich auf den gesellschaftlichen Wandel zurückführen lässt? Sind wir doch noch weit entfernt von „Fraternities“, „Sororities“, Wohnen auf dem Campus und Uni-Patriotimus. Obwohl auch deutsche Unis, ganz nach amerikanischem Vorbild, versuchen sich zur Marke hoch zu mausern. Es läuft bisher eher mittelmäßig: Selbst Julia Göhre vom „Fanshop“ der Berliner Humboldt Universität räumt ein, dass das Geschäft mit dem Namen der Uni wohl nie so gut laufen werde wie in Amerika, wo Stanford, Yale und Harvard auf dem Kapuzenpulli bereits ein modisches Statement sind.

 

Die Schuldigen:

 

Von der Pfordten findet: Die Gesellschaft ist schuld. An den Pranger gestellt fühlen sich aber natürlich wir, die Studenten. Der Göttinger Professor tritt uns mit seinen intelligenten Füßen auf den Schlips und meint es vielleicht gar nicht mal so böse, denn: Werte sind wandelbar – zum Guten und zum Schlechten. Dass dieser Wandel gerade jetzt passiert, dafür kann die Generation Y wenig. Es wurde reichlich Vorarbeit geleistet, die möglich macht, dass im Jahr 2015 Siebzehnjährige anfangen BWL zu studieren und Studierende sich noch vor ihrem 21. Geburtstag Bacherlor/ette schimpfen können. Wen wundert es, dass die Universität vom Hort der Bildung und Wissenschaft für den ein oder anderen zur Unterhaltungsanstalt verkümmert ist. Das Erasmus-Semester wird zum Platzhalter für die ein, zwei Jährchen, die früher noch locker zwischen Abitur und Studium drin waren. Schnell, schnell an die Uni – den Bachelor noch vor dem Bartwuchs reinschieben.

Wir leben in einer Eventkultur und deshalb fahren wir auch auf eine sogenannte Event-Uni ab. Wir mögen Inszenierungen mehr als noch vor 15 Jahren – inszenierte Momente mit Familie, Freunden oder gleich der ganzen Welt zu teilen ist ja auch so einfach wie noch nie. Denn für diesen einen Moment, den wir festhalten, ist das Leben dann vielleicht genau so, wie wir es gerne hätten. Wir klammern uns daran fest, bis wir wieder rückfällig werden und in den Trott aus Spaghetti Bolo (die unglamouröse Variante), dreckigem Geschirr und U-Bahn fahren verfallen.

 

Die Lösung:

 

Wer sind wir schon, um eine Lösung für unser eigenes Problem zu finden? Stop, genau das sollten wir tun. Genau, es sind wir, nicht Menschen, wie von der Pfordten, die nostalgisch in ihrer affengeilen Studienzeit festhängen und sich – vollkommen zurecht – Sorgen um unsere Generation machen. Der Stolperstein, an dem wir hängen bleiben: die Utopie der Vergangenheit.

Was man dem Mann, der ja nur stellvertretend für eine Horde von schlauen Köpfen unserer Eltern– und Großelterngeneration steht, entgegenrufen möchte: Komm mal wieder runter! Wir geben unser Bestes. Auch wir wissen, dass ein Studium um der geistigen Ausbildung willen der Heilige Gral ist – Zukunftsangst, Bafög und überfüllte Studiengänge erschweren die ganze Sache leider gewaltig. Da kann es schon mal passieren, dass sich auch Universitäten dem Druck beugen und versuchen, sich der Zeit anzupassen. Dass das beschissen ist, und wir auch lieber mit Hornbrillen auf der Nase und dem Kopf voller geistreichen Gedanken auf dem Campus abhängen würden, ist hoffentlich auch klar.

 

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Bildquelle: Erik Drost/CC BY 2.0