Heul doch!

Heul doch! Warum wir uns viel öfter traurige Filme reinziehen sollten

Egal ob Beim Leben meiner Schwester, Der Junge im gestreiften Pyjama oder ganz klischeehaft Titanic – Wir kennen sie doch alle, die Filme, die uns insgeheim richtig zum Heulen bringen. Während man beim ersten Weinkrampf im Kinosessel noch leicht unsicher war und mehr in sich hinein als aus sich heraus geschluchzt hat, gibt es heute für die meisten unter uns einfach kein Halten mehr. Wir fühlen uns in den Stunden des Films so verbunden zu Figur und Handlung, dass es uns so vorkommt, als wären wir bereits ein fester Bestandteil davon. Verfolgen wir den Kampf um das Leben der leukämiekranken Kate, die herzzerreissende Freundschaft von Bruno und Schmuel und die tragischen letzten Stunden von Rose und Jack, kommt sie meistens einfach über uns – die Wucht der Emotionen in ihrer ganzen Vielfalt und Bandbreite. Wir sind Weicheier? Ganz im Gegenteil! Die Zeiten, in denen wir als Weicheier abgestempelt wurden, sind ab jetzt vorbei, denn wir haben die Wissenschaft auf unserer Seite. Forscher haben jetzt herausgefunden, dass traurige Filme uns abhärten und wir dadurch weniger schmerzempfindlich werden. Sollten wir also einfach mal wieder öfter im Kino heulen?

 

Volle Kraft voraus für den Zug der Emotionen

 

Genau in dem Land, in dem einige der bekanntesten Filme überhaupt gedreht wurden, haben Forscher sich die gleiche Frage gestellt. Der britische Psychologe Robin Dunbar ist Leiter des Instituts für kognitive und evolutionäre Anthropologie an der University of Oxford. Er und seine Kollegen sind dem Phänomen schließlich auf die Schliche gekommen und haben genau das herausgefunden, was wir hören wollten: Heulen ist gesund und wer tragische und berührende Filme schaut, wird dadurch abgehärtet. Wow, das klingt wie Musik in unseren Ohren!

Bevor die Psychologen dieses Fazit allerdings ziehen konnten, mussten sie zunächst einen Test starten, um herauszufinden welche Wirkung tragische Filme tatsächlich auf den Zuschauer haben. An dem Versuch haben 169 Personen teilgenommen, denen das auf einer realen Geschichte basierte Drame Das kurze Leben des Stuart Shorter gezeigt wurde. Die Probanden wurden vor und nach dem Film gebeten, den berühmt-berüchtigten Wandsitz auszuhalten. Das Ergebnis zeigte, dass die Testteilnehmer es nach der Filmvorstellung deutlich länger an der Wand aushalten und einiges mehr an Muskelschmerzen ertragen konnten als davor. Doch sie hatten nicht nur ein deutlich geringeres Schmerzempfinden, sondern durch das gemeinsame Freilassen sämtlicher Emotionen auch einen stärkeren Gruppenzusammenhalt entwickelt. Zum Vergleich setzten die Wissenschaftler 68 anderen Teilnehmern eine Doku-Reihe vor. Auch diese Gruppe der Probanden musste sich sowohl vor, als auch nach der Vorstellung mit dem Wandsitz herumschlagen. Bei dieser Gruppe war allerdings keine Veränderung hinsichtlich Schmerzgrenze und zwischenmenschlichen Beziehungen zu erkennen. Der Grund für all das? Mal wieder die kleinen Endorphinchen, die während des tragischen Films ausgeschüttet werden. Diese Glücksbringer machen nicht nur ihrem Namen alle Ehre, sondern senken zusätzlich noch unser Schmerzempfinden und stärken unser bewusstes Gruppengefühl.

 

Wir sollten einfach mal wieder heulen

 

Ach, wie schön! Wir haben endlich den Beweis dafür, dass wir definitiv keine Weicheier sind, wenn wir im Kinositz mal wieder flennend und schluchzend gar nicht mehr auf unser Leben klarkommen, denn das macht uns stark und irgendwie ja anscheinend auch ganz lieb gegenüber anderen Menschen. Ist das nicht toll? Also hopp hopp! Sucht euch im Kinoprogramm den bestmöglichen Film zum Flennen, pflanzt euch mit genügend Popcorn vor die Leinwand und schreit eure Emotionen einfach mal wieder so richtig raus. Falls sich jemand beschweren sollte, wisst ihr ja nun, dass man all das mal wieder auf die Wissenschaft schieben darf.