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Hassobjekt: Mädchen, die den Feminismus als Label tragen

Jeder kennt sie, jeder hasst sie und doch brauchen wir sie wie die Luft zum Atmen: Nervige Klientele und unnütze Gegenstände des Alltags, über die man sich so richtig schön echauffieren kann – da geht es den ZEITjUNG-Autoren nicht anders. Deshalb lassen wir unserer Wut in der Reihe „Hassobjekt“ einfach freien Lauf und geraten ab sofort immer montags in Rage. Eins ist sicher: Nichts ist uns heilig und keiner wird verschont. Dieses Mal auf der Abschussliste: „Der Pseudo-Feminismus“.

Ein Hassobjekt von Leonie Habisch

 

Die armen Feministinnen. Also die, die damals im vergangenen Jahrhundert darum kämpfen mussten, dass Frauen wählen und abtreiben dürfen, dass Vergewaltigung in der Ehe, häusliche und sexualisierte Gewalt auch als solches benannt werden. Die können einem echt Leid tun, denn die mussten ja noch gegen etwas protestieren. So richtig mit Unterschriftensammlungen und Demonstrationen.

 

Ein Shirt reicht heute für den Feminismus

 

Heute ist es Gott sei Dank viel einfacher, feministisch zu sein: ein T-Shirt reicht. Du musst dich nicht mit der Verbindung zwischen Frauenbenachteiligung und dem globalen Nord-Süd-Gefälle auseinandersetzen. Stattdessen kannst du einfach in den nächsten H&M gehen und dir ein Shirt kaufen mit dem Aufdruck „Feminism – the radical notion that women are people“. Die Näherin in Bangladesch mit ihrer 80 Stunden Woche konnte sich damit sicher richtig gut identifizieren, als sie die schwarzen Säume am Ärmelrand befestigte. Vermutlich kann sie sich von ihrem Gehalt nicht mal einen Anwalt leisten, um aus ihrer Zwangsheirat rauszukommen. Aber gut, dass ein paar Fashionblogger ihren Mangel an Authentizität jetzt endlich mal mit was Politischem ausgleichen können – und zwar ohne sich gleich die Finger beim Banner bemalen schmutzig machen zu müssen. Wogegen sollten sie auch protestieren? Die gläserne Decke, die Gender Pay Gap, die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf, die paradoxe Sexualisierung des weiblichen Körpers, die fehlende Anerkennung von Homosexualität? Viel zu abstrakt und langweilig! So ein knackiges Statement ist doch viel cooler. Und steigert außerdem die Reichweite.

 

Wahlweise bietet sich auch ein Facebook-Post zum Frauentag an

 

Mittlerweile ist es nämlich nicht mehr in Ordnung, eine Bundestagsabgeordnete wegen einer Rede über Sexismus auszulachen. Man darf auch keine Altherrenwitze mehr erzählen und fremde Frauen mit „Püppi“ oder „Mäuschen“ ansprechen. Um die Kunst dieser neumodischen politischen Korrektheit zu meistern, gibt es jetzt aber einen einfachen Weg: Werde zum Pseudo-Feministen. Wenn du andere Menschen davon überzeugst, du wärst Verfechter der Frauenrechte, hält dich niemand mehr für den Sexisten, der du eigentlich bist. Gilt natürlich für beide Geschlechter. Dazu gehört aber ein bisschen Arbeit. Zuerst braucht der gemeine Pseudo-Feminist besagtes T-Shirt. Wahlweise bietet sich auch ein Facebook-Post zum Frauentag oder eine halbherzig geäußerte Hillary-Clinton-Affinität an. Irgendwas jedenfalls das aussagt: „Ich bin progressiv und mein Unternehmen recruitet immer mehr Frauen. Sie dürfen sogar in der Geschäftsführung arbeiten. Also als Assistenz. Bis sie Kinder bekommen. Aber ich bin so fortschrittlich und gebildet!“ Um das zu untermauern, kennt der Pseudo-Feminist ein bis drei Zitate von Judith Butler und/oder Simone de Beauvoir oder weiß zumindest, wie man diese beiden Namen ausspricht und schreibt. Dazu bringt er noch einen männlichen Genderprofessor an. Die machen das zwar häufig nur, um Forschungsgelder abzugreifen und weil sie sonst drohen, ihrer Langeweile wegen im Diskurs unterzugehen – aber das ist doch egal! Hauptsache, man kann was beitragen.

 

Dem Pseudo-Feministen ist es eigentlich egal, wie es Frauen geht

 

Der Pseudo-Feminist findet es nämlich ganz und gar nicht ok, dass Frauen belästigt werden. Schon gar nicht wenn Ausländer das tun. Hier bekommen wir es mit einer ganz speziellen Ausprägung des Pseudo-Feminismus zu tun. Jene, die bis zum 31. Dezember letzten Jahres noch vom „Genderwahn“ genervt waren, weil sie selbst einfach noch nie von Benachteiligung betroffen waren, haben auf einmal Mitgefühl bekommen mit den Opfern, mit denen, die sich nicht wehren konnten. Solange es Deutsche auf deutschen Partys waren, die Frauen an den Hintern und zwischen die Beine grapschten, war das ok. So sind Männer nun mal, was ziehen die sich auch so aufreizend an. Jetzt hatte der Pseudo-Feminismus aber das ultimative Feindbild gefunden. Er fühlte sich nämlich nicht mehr nur von den Frauen bedroht, sondern auch von den Ausländern. Da fiel es ihm gar nicht mehr schwer, die Angriffe anzuerkennen, für die Frauen in die Bresche zu springen und sich für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts einzusetzen. Wie praktisch! Dem Pseudo-Feministen ist es nämlich im Grunde genommen egal, wie es Frauen geht, ob sie Karriere machen oder doch mit den Kids zu Hause bleiben, damit ihr Partner im Büro nicht als Weichei betitelt wird, wenn er mehr als zwei Monate „Wickel-Volontariat“ nehmen möchte. Das soziokulturelle Umfeld des Pseudo-Feministen erlaubt es ihm nur nicht mehr, das laut auszusprechen und deshalb googelt er jetzt Simone de Beauvoir, während das H&M-Shirt auf dem Weg zu ihm ist.