Zum Heiland mit James Arthur: „Ich habe meine Ängste in etwas Kreatives verwandelt.“
Von Veronica Dittrich und Anna Lucie Herrnböck
Als wir James Arthur fragen, ob er mit uns einen Heiland trinken möchte, antwortet er: „No thanks, maybe next time. I’m a little bit hangover.“ Aber die Flasche möchte er gerne behalten, sie gefällt ihm gut. Also bleiben wir diesmal bei Wasser und sprechen mit ihm über sein neues Album, schwierige Zeiten im Leben und die Zukunft.
Der gebürtige Engländer ist gerade auf Promotour, um sein neues Album „Back from the Edge“ vorzustellen, das am 28.10 in den Läden erscheint. Am Vorabend zu unserem Interview gab es ein Konzert für die Münchner Presse und dann einen Ausflug in das Nachtleben der bayerischen Hauptstadt. Deshalb blickt uns der Sänger bei unserem Treffen etwas verschlafen unter seiner Basecap entgegen.
Berühmt wurde James Arthur durch die englische Version von X-Factor im Jahr 2012. Er gewann den Contest und sang sich in die Herzen vieler Menschen. Nach seinem letzten Abum „Get down“, das 2014 erschien, wurde es jedoch eine Zeit lang still um den Mann mit der schönen Stimme. Wo er steckte und was hinter dem Titel der neuen Platte steckt, erzählt er uns im Interview.
https://www.youtube.com/watch?v=Baav4FYH588
ZEITjUNG: Wir haben dein Instagramfoto gesehen. Du scheinst von München ja ziemlich begeistert zu sein. Hast du dich schon ein bisschen umgeschaut?
Oh ja! Die Leopoldstraße habe ich zum Beispiel schon besucht. Es ist wirklich total schön dort, vor allem ist es sehr sauber und aufgeräumt, das finde ich echt gut.
Kannst du auch ein bisschen Deutsch sprechen?
Ich wünschte, ich könnte! Ich kann das hier (spricht auf Deutsch): Dankeschön, Ick liebe disch, Ick liebe euck viel Spaß sagen!
Das war doch sehr gut! Wir haben uns für dich noch ein paar Sätze ausgedacht, die du vervollständigen kannst, wenn du willst.
Klar!
Wenn ich ein Superheld wäre, wäre ich ..
Gedankenlesermann!
Mein erster Kuss war ..
Als ich vierzehn war, ich habe ein Mädchen in der Schule geküsst. Es war wirklich sehr komisch, wir wussten nicht so wirklich, wie es geht.
Die letzte Frage: Als ich ein Kind war, wollte ich immer ..
James: Fußballer, ein berühmter Schauspieler oder Sänger werden! Ich wollte schon immer performen.
Du sagtest was von Gedanken lesen, woher kommt das?
Ich finde, dass ich ein bisschen seltsam bin. Wenn ich einen Raum betrete, denke ich sofort darüber nach, wie ich aussehe oder wie ich auf andere wirke. Das kommt oft sehr unentspannt rüber, in einer großen Menge von Menschen bin ich dann eher scheu.
Ist das dann nicht ein Problem, wenn du Konzerte gibst?
Oh nein, das ist eher eine andere Art von Angst. Das einzige, worüber ich dann nachdenke ist, ob ich genug Energie und Gefühl mitbringe. Ich möchte immer alles geben und habe dann eher Bedenken, dass ich das vielleicht nicht schaffe. Aber ein bisschen Nervosität ist immer gut, du fühlst dann dieses Feuer in deinem Bauch.
Dein neues Album ‚Back from the edge‘ ist auch voller Feuer.
Oh ja, mit dem gleichnamigen Song wollte ich das Album einfach mit einem fetten Statement beginnen. Es bringt viel Energie rüber, erinnert ein bisschen an James Bond mit ein wenig klassischer Musik.
Über diese Energie wollten wir mit dir sprechen. Wir denken, dein neues Album klingt wie ein Neuanfang. Als würdest du sagen wollen: „Hier bin ich!“
Das stimmt. In den letzten Jahren hatte ich eine harte Zeit, ich wollte wissen, wo ich hingehöre und wer ich eigentlich bin. Mein neues Album sollte mir auch helfen, wieder an mich selbst zu glauben und mich vielleicht auch ein bisschen verletzlich gegenüber meinen Fans zu machen. Hoffentlich kann ich so andere Menschen inspirieren, die selbst gekämpft haben in ihrem Leben.
Du hast keine Angst davor, in der Öffentlichkeit über deine psychischen Probleme zu sprechen. Machst du das, weil du anderen helfen möchtest?
Auf jeden Fall. Ich möchte den Menschen zeigen, dass es nicht falsch ist, über seine Probleme zu reden. Es ist eher das Gegenteil: Es ist mutig und erfordert Stärke. Vor allem junge Männer haben oft Angst, sich auszusprechen. Ich möchte Menschen ermutigen, genau das zu tun.
Ist das für Männer schwieriger als für Frauen?
Klar. Die Selbstmord- und Depressionsrate junger Männer ist sehr hoch, sie haben oft Angst, Angehörigen zu erzählen, was in ihnen vorgeht. Vielleicht hilft es ihnen, mich zu sehen, wie ich meine Probleme ausdrücke und dabei musikalischen Erfolg habe.
Weil Mädchen vielleicht eher darüber reden, wenn sie traurig sind?
Das stimmt. Aber meine Musik ist trotzdem für jeden. Ich kann nur von mir als Mann sprechen, dass es für uns einfach schwieriger ist. Ich habe vier Schwestern, deswegen weiß ich, dass es Mädchen da oft leichter haben. Sie sind erwachsener.
Finden wir echt gut, dass du mit deiner Musik so vielen Menschen helfen willst.
Danke! Es ist das einzige, was wirklich echt ist in einer Industrie, die ziemlich fake sein kann.
Meinst du damit das Musikbusiness?
Ich denke, das kann in jeder Art von Unterhaltungsindustrie vorkommen. Klar sind Menschen nicht immer glücklich, aber hier geben sie oft vor, es zu sein. Sie sagen dir: „Oh, du bist super, wirklich!“ obwohl sie es nicht so meinen, sie verspüren einfach immer das Bedürfnis, jedem zeigen zu wollen, dass sie nie traurig sind. Das ist Teil dieser Welt .. naja, es ist ja nicht falsch, so zu sein, ich bin nur einfach nicht so. Ich bin eher offen und ehrlich.
Gilt das vielleicht auch für falsche Freunde? Du sprichst in deinen Texten viel über Einsamkeit.
Ich selbst habe ein paar echte Freunde. Als ich eine Zeit lang wenig Selbstvertrauen hatte, habe ich mich oft gefragt, ob Menschen gerade mit mir sprechen, weil sie mich mögen, oder weil sie aus mir Profit ziehen können. Ich musste lernen, Menschen wieder zu vertrauen, das war einer der schwierigsten Schritte. Weil ich oft einfach dichtgemacht habe.
Ist das vielleicht auch oft das, was du in deinen Songs ausdrücken möchtest?
Ja. Viele Menschen fühlen sich sehr einsam, weil sie versuchen, mit etwas klar zu kommen, was keiner außer ihnen verstehen kann.
Wir haben mitbekommen, dass du ein sehr talentierter Songwriter bist!
Dankeschön! Ich habe mit einigen Co-writern zusammengearbeitet, oft haben sie mir gar nicht so viel geholfen, eher hier und da ein wenig Inspiration und Tipps gegeben. Neunzig Prozent der Konzepte und Ideen meiner Texte kommen von mir. Vier oder fünf Tracks auf dem Album habe ich komplett allein geschrieben.
Basieren die auf Erfahrungen, die du gemacht hast?
Klar, im Leben geht’s immer um die Erfahrungen, die du machst. Und darum, dein Unglück zu meistern. Klingt langweilig, ist aber wahr (lacht).