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Beziehung: Dürfen wir unseren Partner ändern?

Beim ersten Liebeskummer, wenn das junge Herz drückt und die Tränen über die Wange kullern, trösten unsere Mütter uns mit Sätzen wie „später wirst du mal einen ganz besonderen Menschen kennenlernen.“ Und tatsächlich: Früher oder später steht ein Mensch vor uns, der auf seine Art und Weise perfekt für uns ist. Auf seine, wohlbemerkt – nicht auf unsere. Denn was unsere Mütter uns nicht erzählen ist, dass ein Mensch eben einfach so ist, wie er ist. Punkt. Dass selbst der Prinz auf dem weißen Pferd manchmal Fußnägel kaut. Und dass wir ihn verdammt nochmal einfach lassen sollten!

 

Wir sind, wie wir sind

 

Aber einen Menschen so zu lassen, wie er ist, fällt uns irgendwie erstaunlich schwer. Am Anfang einer Beziehung sorgt Wolke 7 noch dafür, dass jegliche negativen Eigenschaften des anderen an dem rosaroten Wattewölkchen abprallen.

Ähnlich wie die Ozonschicht Mutter Erde vor zu viel Sonneneinstrahlung schützt, so bewahrt uns das Wölkchen vor den schlechten Angewohnheiten unseres Partners. Ähnlich wie die Ozonschicht schwindet das Wölkchen nach geraumer Zeit allerdings auch. Egal, wie lange wir die Augen zukneifen und versuchen, die Fehler des anderen auszublenden – am Ende werden wir alle damit konfrontiert. Denn irgendwann stehen wir nackig voreinander und sehen den bloßen Fakten in die Augen: uns selbst, so wie Gott uns schuf.

Das bedeutet: mit all unserer Liebenswürdigkeit, unseren Stärken und Vorzügen, aber eben auch mit all unseren Fehlern und Macken, unseren Schwachstellen und Ticks. Wir halt. Zwei Menschen, die ineinander verliebt sind. Nur eben ohne den ganzen Firlefanz drum herum.

 

Einander ändern wollen

 

Das ist eigentlich etwas Schönes. Doch anstatt den anderen auch für seine Fehler zu lieben, entstehen plötzlich Machtkämpfe, weil man dem anderen seine Marotten austreiben und ihn perfektionieren möchte. In anderen Worten: Man möchte ihn ändern. Ihn zurechtschneiden- und feilen, bis er unseren Erwartungen eines Traumpartners entspricht.

Psychologin Dr. Doris Wolf erklärt: „Jeder glaubt von sich, so in Ordnung zu sein, wie er ist, oder sich nicht ändern zu können. Spüren wir, dass der Partner uns ändern will oder uns so nicht liebt, wie wir sind, gehen wir in den Widerstand. Wir wollen mit Haut und Haar geliebt werden und nicht nur auszugsweise.“

Und doch wird es in Beziehungen oft regelrecht zur Challenge, die Eigenschaften des anderen so lange zu optimieren, bis er unserem Bild des perfekten Partners gleichkommt. Es ist ein gewisser Reiz, der tief in uns drin steckt.

Viele fragen sich zu Beispiel, warum Frauen immer wieder auf Arschlöcher reinfallen. Die Antwort ist ziemlich einfach: weil sich jede Frau jedes Mal aufs Neue denkt, sie wird die Eine sein, für die er sich der Typ ändern wird. Doch das werden sie nicht. Deshalb haben Arschlöcher traurigerweise so oft Erfolg bei Frauen. Ändern werden sie sich deswegen aber erst recht nicht.

Das Theaterstück „Das Maß der Dinge“ beweist, dass auch das Gegenteil davon Charakter schädigend sein kann. In dem Stück verliebt sich ein stiller, zurückgezogener und zugegeben nerdiger Typ in ein hübsches, beliebtes und toughes Mädchen. Im Laufe ihrer Beziehung manipuliert Evelyn Adam so weit, dass er inklusive Nasen-OP sein komplettes Auftreten und Wesen für sie verändert, und dabei letztendlich seine Identität verliert.

 

Den „perfekten“ Menschen gibt es nicht

 

Eine Parodie, die sich erschreckend leicht auf das echte Leben übertragen lässt. Mit unseren Wünschen und Erwartungen zwingen wir jemandem ein Stück unserer Identität auf und rauben ihm zugleich ein Stück seiner eigenen. Dabei ist das schon aus rein psychologischen Aspekten absoluter Blödsinn: Menschen verändern ihre Ansichten über die Jahre hinweg ständig und somit müsste man auch seinen Partner immer wieder ändern und anpassen. Er wird also nie perfekt sein.

Meistens steckt zudem die eigene Unzufriedenheit hinter dem Wunsch, den anderen zu ändern. Doch statt über uns selbst zu reflektieren und zu überlegen, was wirklich wichtig in der Beziehung ist, erleichtern wir uns diesen inneren Konflikt oftmals mit der Lösung, dass der Partner nach unserer Pfeife tanzen soll. Dabei hat man einfach nur verlernt, im selben Takt zu tanzen.

Beziehungen sind wie eine Party, auf der ständig der DJ wechselt. Auf Wolke 7 herrscht ein schnellerer Beat als bei eingespielten Pärchen, manchmal läuft Reggae, manchmal Heavy Metal. Doch Beziehungen sind kein Dance-Battle und erst recht keine Aerobic-Stunde, wo der eine etwas vormacht, was der andere dann nachtanzen muss.

Es geht darum, in verschiedenen Phasen miteinander zu tanzen – egal ob verrucht oder einfach nur verdammt bescheuert. Den perfekten Menschen gibt es nicht, und ohne seine schlechten Seiten hätte er schließlich auch keine guten.

Eine gute Beziehung besteht definitiv aus Kompromissen. Doch der beste Kompromiss ist es, den anderen so zu lieben, wie er ist.

 

Bildquelle: Brooke Eagle via Unsplash CC0 Lizenz

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