Deshalb fühlen wir uns von Narzissten angezogen
Narzissmus, der: Die fast schon krankhafte Liebe zur eigenen Person.
„Ich liebe nur mich“, ist ein Motto, das auf den ersten Blick befremdlich wirkt. Doch in manchen Situationen scheint es der einzige Weg zum Ziel zu sein: Es hat schließlich einen Grund, weshalb die meistgehassten Egoisten im Büro immer diejenigen sind, die zuletzt lachen. Ein gewisses Maß an Selbstliebe ist wichtig, damit man selbst nicht auf der Strecke bleibt.
Der Narzisst ist die Welt
Doch was, wenn dabei plötzlich ungeahnte Grenzen überschritten werden und die Selbstliebe Platz macht für die völlig übersteigerte Sicht auf eine Welt, in der es nur noch das eigene „Ich“ gibt? „Der Narzisst ist alles, die Welt ist nichts – oder vielmehr: Er ist die Welt”, brachte es schon der deutsche Psychoanalaytiker Erich Fromm auf den Punkt.
Auf gewisse Weise sind wir alle egoistisch, die einen mehr, die anderen weniger, und manche eben in wahnwitzigem Überfluss.
Doch genau jenes absolute Maß an Eigenliebe übt eine Art ambivalenter Faszination auf uns „Normalsterbliche“ aus: Auf der einen Seite schreckt die einehmende Selbstgefälligkeit dieser Menschen uns ab, macht uns schier machtlos, auf der anderen Seite wirken sie wegen ihrer angeblichen Undurchdringlichkeit und ihrem eindeutigen Desinteresse umso anziehender.
Das Geheimnis der Narzissten
Und genau das macht sie attraktiv. Geheimnisvoll. Unwiderstehlich. Sprich: Zu äußerst interessanten Anwärtern, um eine romantische und aufregende Liebesbeziehung mit ihnen einzugehen. Außerdem zählt, wie so oft, auch in der Liebe der erste Eindruck. Und entgegen des weitverbreiteten Vorurteils gestaltet sich die erste Begegnung mit einem Narzissten laut einer Studie der Universität Leipzig häufig positiv.
Dabei sollten sich 73 Psychologiestudenten einer Gruppe vorstellen und anschließend nach ihrer Sympathie beurteilt werden. Tatsächlich wurden ausgerechnet diejenigen, die ausnehmend narzisstisch auftraten, besonders positiv bewertet. Selbstbewusstes Auftreten hat eine besondere Wirkung – Auf beide Geschlechter. Denn der Grad an Selbstbewusstsein zeigt, dass die Person unabhängig ist und ganz genau weiß, was sie will.
Doch nicht nur wegen des charmanten ersten Eindrucks verfallen Frauen und Männer immer wieder jenen mit der unsäglichen Persönlichkeitsstörung. Bei Frauen ist es – ganz klischee-like – die Hoffnung auf seinen Status und Sicherheit, Männer fühlen sich vor allem wegen sexueller Attraktivität zu narzisstischen Frauen hingezogen – denn mit „Nett sein“ kommt frau im Bett bekanntlich nicht weit.
Was aufregend beginnt, endet jedoch oft in einem Desaster. Wieso stürzen Männer und Frauen sich trotzdem immer wieder in unglückliche Beziehungen mit vermeintlichen Narzissten? Am Ende ist es vielleicht wieder die eine große Schwäche des Menschen: Genau das haben zu wollen, das er offensichtlich nicht haben kann. Und Dinge ändern zu wollen, die er nicht ändern kann.
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Bildquelle: Christopher Campbell unter CC 0 Lizenz