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Nach dem Studium: Mach doch, was du willst!

Die Prüfungsphase ist die beschissenste Zeit im Studium. Zum Abschalten bleiben höchstens die zehn Minuten, die man zum Aufwachen braucht. Dann geht’s schon wieder ab hinter den Schreibtisch oder in die Bibliothek zum Lernen. Orte, die man erst wieder verlässt, wenn es draußen längst dunkel geworden ist. Die Klausurenzeit ist grausam, voller Stresspickel und Depressionen. Und nicht nur einmal am Tag stellt man sich die Frage: Was zum Teufel mache ich eigentlich hier?

Vielleicht war es etwas zu romantisch. Die Wahl deines Studiums, entsprungen aus einem alten Kindheitstraum heraus. Weil du die Welt verbessern wolltest, hast du dich entschlossen, Jura zu studieren. Oder weil Mami und Papi dich Wolfgang Amadeus getauft haben, hast du ein Musikwissenschaftsstudium begonnen. Oder du hattest keinen Plan und hast dich für das Fach mit der meisten Freizeit entschieden – vorzugsweise also ein geisteswissenschaftliches Studium. Und nun kommt sie immer näher, die Endstation deiner universitären Laufbahn, und du siehst das Stopp-Schild, das dort auf dich wartet. Es markiert die lästigste aller Fragen, die sich dir schon im Studium immer wieder stellt: Bachelor, Master – und was dann?

 

Bachelor und Master: Aus 7,0 mach’ 10,8!

 

Das Studentenleben – für viele ein vermeintlich einziges Schlaraffenland aus spät beginnenden Kursen, monatelangen Semesterferien und durchzechten Nächten. Kein Wunder, dass seit einiger Zeit immer mehr Rucksack und Taschen tragende Männlein und Weiblein durch sämtliche Unis und Hochschulen flitzen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (Bmbf) hat die Zahl derjenigen, die sich im Wintersemester 12/13 in die Hörsäle, Mensen und Bibliotheken gedrängt haben, erfasst – und kommt auf 2.499.409! Diese Masse an Lern- und Feierwütigen spaltet sich wiederum auf in 1.466.409 Bachelorstudenten, 344.951 streben eine Masterkrönung an und der Rest setzt sich aus dem Überbleibsel an Diplomstudenten und promovierenden Kandidaten zusammen.

Im Schnitt verbringen Bachelorstudenten 7,0 Semester – also 3,5 Jahre – an der Uni. Das dann ist es nicht unbedingt viel, was einen noch von dem angsteinflößenden Einstieg in die Arbeitswelt trennt. Derzeit entscheiden sich laut statista 55 Prozent der befragten Studenten für weitere zwei lehrreiche Jahre voller Seminare und Vorlesungen, staubiger Fachliteratur, unfreiwilliger Praktika und überflüssiger Hausarbeiten. Ein gewisser Teil dieser fleißigen Masterstudenten hat sich wohl deshalb erneut immatrikuliert, weil es die Einstiegschancen verbessert und das zu erwartende Gehalt ein wenig nach oben schraubt. Der Rest jedoch hat ein weiterführendes Studium begonnen, in der Hoffnung, endlich eine Antwort auf die hartnäckige Frage zu finden: Was, verdammte Scheiße, mache ich nach meinem Studium?!

 

Zeit, zu wechseln?

 

Diese eine Frage nach der großen, dunklen Zukunft hört man gefühlte tausend Mal während der Studienzeit – egal ob sie dir von deiner Familie, deinen Freunden, Kommilitonen oder der Bäckereifachverkäuferin deiner Stammbäckerei gestellt wird. Prinzipiell nervt das erst mal – aber darüber reden hilft. Schon einfach, von anderen Studenten zu hören, dass sie genauso wenig Plan haben wie du, erleichtert ungemein. Aber mit fortschreitender Punktezahl auf dem Konto und gesammelten Noten rückt das Ende der Studienzeit immer näher – am Anfang konnte man noch mit einem gechillten „Ich hab ja noch 20 Semester vor mir“ auf die zukünftige Jobfrage reagieren. Nach den letzten Klausuren jedoch sind es nur noch die Bachelor- oder Masterarbeit, die einen von der bevorstehenden Umsetzung des angehäuften Wissens ins Berufsleben trennt. Das Selbstbewusstsein schwindet in dieser letzten Phase dahin – irgendwie hat man das Gefühl, einfach nicht genug gelernt zu haben. Und nun soll man den kuscheligen Hörsaal verlassen, in dem alle Studenten sitzen und sich hinaus in die große weite Welt begeben – obwohl man doch nicht mal ’ne Ahnung hat, wohin es überhaupt gehen soll.

Zweifel gehören laut dem Psychologen Hans-Werner Rückert zu jedem Studium dazu. Zeit Online gegenüber sagt der Psychologe und Studienberater: „Die Mehrheit der Studenten zweifelt vorübergehend im Studium, ob das alles so richtig ist, was sie machen.“ Verschwinden diese kleinen, miesen Gedanken aber nicht, sollte man sich der Frage widmen, ob das, was man studiert, überhaupt noch Sinn für einen macht: Wenn man in eine Abwärtsspirale kommt und es gar keine Lichtblicke mehr gibt, dann spätestens sollte man sich fachkundige Hilfe holen.“

Auch Barbara Eiwan, Diplom-Psychologin und Studienberaterin an der Universität Regensburg, weiß, wie wichtig es ist, sich andere Meinungen einzuholen: „Grundsätzlich raten wir Studenten, die zu uns kommen, erst mal dazu, sich Gedanken über ihre eigenen Stärken, Interessen und Schwächen zu machen. Und auch darüber, was sie eigentlich gar nicht wollen.“ Viele Studierende verlieren über die Dauer der Ausbildung den Bezug zu ihrem Fach. Die aufkeimende Frage, warum diese Richtung überhaupt gewählt wurde, kann oft gar nicht mehr beantwortet werden. Wenn dies der Fall ist, gibt Eiwan den Tipp, die Gründe aufzuschreiben, „denn was man aufgeschrieben hat, vergisst man nicht wieder“, sagt sie. „Und erst, wenn die innere Suche abgeschlossen ist, kann man sich darauf konzentrieren, auf welche äußeren Bereiche sich die eigenen Interessen, Wünsche und Kompetenzen anwenden lassen.“

 

Das sind doch nur Zahlen!

 

Eigentlich könnte eine weitere Zahl des Bmbf uns Zukunftsängstler ein wenig beruhigen: Nur drei Prozent der Bachelor-Fachhochschulabgänger und zwei Prozent der gleichrangigen Uniabsolventen erwischt der Hartz-IV-Stempel. Eingetippt in den Taschenrechner jedoch, sind das gar nicht mal so wenige, denen Nachmittage voller RTL-Sendungen und stundenlanges Herumlümmeln im Arbeitsamt bevorsteht. Im Durchschnitt sind das um die 36.000, die nach dem Studium von der Arbeitslosigkeit empfangen werden – ein wirklich guter Grund, sich doch noch schnell für ein Masterstudium einzuschreiben und sich weitere zwei Jahre zu erkaufen, in denen wir uns vor der Arbeitswelt da draußen verstecken können.

Doch eigentlich sollten wir uns von den Zahlen des Bundesministeriums nicht einschüchtern lassen. „Zahlen, Quoten und Statistiken sollte man sich nicht unbedingt anschauen“, rät Barbara Eiwan. „Solche Werte verunsichern nur unnötig und haben nichts mit der eigenen Person zu tun.“ Viel wichtiger sei es, sich zusätzliche Kompetenzen anzueignen, die einen auf dem Weg zum Traumjob behilflich sein können. „Viele vergessen, dass es neben Klausuren und Hausarbeiten auch noch andere Dinge gibt, auf die es ankommt“, sagt Eiwan. Die Universitäten vermitteln zwar das Fachwissen – für berufliche Erfahrungen gibt es dann aber Praktika und Freiwilligenarbeiten, die den Einstieg ins Berufsleben erleichtern können.

Bleibt noch der Umgang mit der „Und was mach ich dann?“-Frage, zu der Barbara Eiwan meint: „Viele Stellenanzeigen von Unternehmen sprechen gar keine bestimmten Berufe mehr an. Da wird mehr nach gewissen Fähigkeiten gesucht: Teamfähigkeit, Textverständnis, Organisationstalente. Das sind alles die Dinge, die man nebenbei im Studium erwerben kann.“ Dass nach dem Beenden des Studiums nicht immer eine feste Berufsbezeichnung steht, sei nun mal etwas, das zur Akademikerlaufbahn dazu gehöre. Letzten Endes könnte man es so sehen: Dass einem nach dem Abschluss nicht nur eine einzige Schublade erwartet, in die man gefälligst hinein zu passen hat, ist etwas verdammt Positives. Und auch eine verdammt gute Antwort für die Leute, die es gewohnt sind, nur in solchen Schubladen zu denken.

 

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Bildquelle: AnaManzar08 unter CC BY 2.0