Malta-Valetta

Ärger im Paradies? – Malta spaltet die EU

Eigentlich gibt es von Malta meist nicht viel in den Nachrichten zu hören. Dies mag natürlich auch daran liegen, dass Malta als winziges Mittelmeerland sogar kleiner als Duisburg ist und für die Europapolitik – bis hierhin – kaum eine tragende Rolle spielte. Dies hat sich nun allerdings geändert. Denn im Zuge der Flüchtlingspolitik und mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft steht Malta urplötzlich im europäischen Fokus – und scheut nicht davor zurück, einen eigenwilligen Standpunkt gegen die großen europäischen Nationen zu vertreten.

Malta dürfte vielen Europa-Bewohnern bekannt sein, nicht nur aus dem Erdkundeunterricht in der Schule, sondern höchstwahrscheinlich gar aus dem Urlaub. Denn jährlich pilgern hunderttausende von Touristen zum kleinen Inselstaat, der nur einige Kilometer von Süditalien entfernt liegt.

Der Tourismus zählt zu den wichtigsten Einnahmequellen für das Land, das gerne auch als „Mini-Manhattan“ bezeichnet wird. Dies mag unter anderem daran liegen, dass Malta gerade einmal 450.000 Einwohner zählt und nicht einmal so groß ist wie die bayerische Landeshauptstadt München.

Aus Deutschland bezieht Malta auch die meisten Gäste. Knapp zehn Prozent der zwei Millionen Urlauber, die 2016 Malta bereisten, stammen aus Deutschland, die natürlich auch jede Menge Geld auf der Insel lassen.

Und so mag es auch nur etwas verwundern, dass Malta eines der wenigen EU-Mitglieder war, das die Finanzkrise der 2000er relativ unbeschadet überstanden hat. „Malta hat eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften“, schreibt der Internationale Währungsfonfs (IWF).

2017 wird die maltesische Wirtschaft nach Schätzungen der Europäischen Union um 3,7 Prozent wachsen – das liegt deutlich über dem EU-Schnitt von 1,6 Prozent. Zudem gilt Malta als Hochburg für Online-Gaming und Glücksspiel. Denn viele international tätige Unternehmen, die ihr Wettangebot europaweit online bereitstellen, erhalten ihre Lizenz von der Gaming Authority auf Malta.

Obendrein haben sich auch jede Menge Großkonzerne wie Google, BASF oder Sixt auf Malta niedergelassen. Während die heimische Bevölkerung und auch die maltesische Wirtschaft von dieser Entwicklung profitiert, hagelt es aus dem europäischen Ausland nun zunehmend Kritik. Denn längst nicht alle sind mit der Politik einverstanden, die dem EU-Konsens immer mehr zu widersprechen scheint.

 

Der Klassensprecher Europas: Malta übernimmt EU-Ratspräsidentschaft

 

Seit Anfang 2017 hat Malta eine besondere Rolle innerhalb der Europäischen Union inne. Als Inhaber der EU-Ratspräsidentschaft kommt Malta nicht nur der Vorsitz für Sitzungen und Tagungen im Rat der EU zu, sondern es muss auch das Programm definieren, mit dem sich der Rat in den nächsten Monaten intensiv befassen will. So wollen es die Bestimmungen von 2009, die im Vertrag von Lissabon festgehalten wurden.

Doch derzeit macht es vor allem den Eindruck, als ob die maltesische Führung sich stark darum bemüht, die eigenen Interessen durchzusetzen. Dies betrifft insbesondere den Umgang mit großen Unternehmen, die sich in den letzten Jahren immer häufiger auf Malta angesiedelt haben.

Schätzungen zufolge soll es derzeit 1.616 Firmen mit deutscher Beteiligung auf Malta geben. Nur 266 dieser Firmen sind dem deutschen Finanzamt gemeldet. Die besondere Attraktivität liegt im maltesischen Steuersystem. Denn mit etwas buchhalterischem Geschick und einer maltesischen Tochtergesellschaft lässt sich die Körperschaftssteuer auf unter zehn Prozent senken. Sofern diese Firmen dem deutschen Finanzamt gemeldet sind, ist dies nicht illegal. Dennoch bleibt fraglich, warum deutsche Behörden nicht nach einer Auflistung der Firmen mit deutscher Beteiligung fragen.

Der Grund ist ganz einfach: Malta gilt neben Luxemburg oder auch Irland als Steuerparadies für Großkonzerne, die ihren europäischen Hauptsitz in Malta führen, dort meist aber kaum mehr als ein kleines Büro unterhalten. War dies lange Zeit kein Diskussionsgegenstand der internationalen Politik, hat sich dies spätestens seit den Panama-Papers geändert.

Dennoch wehrt sich Malta weiterhin vehement gegen die Forderungen anderer EU-Mitglieder, endlich härter gegen die Steuertricks der Großkonzerne vorzugehen. In einem maltesischen Arbeitspapier heißt es, man wolle es mit dem Kampf gegen die Steuermachenschaften der Großunternehmen nicht übertreiben, da neue Steuergesetze die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten EU gefährde.

Video: Maltas Wohlstand beruht auch auf den zahlreichen Steuerflüchtigen, die in Malta kaum mehr als einen Briefkasten besitzen.

Dass dies nur ein vorgeschobener Grund ist, ist vielen klar. Denn natürlich möchte Malta seinen Ruf als Steueroase nicht einbüßen und so auf die vielen zahlenden Unternehmen verzichten, die sich mittlerweile überall im Land angesiedelt haben. Damit steht Malta mit seiner eigenen Steuerpolitik vor allem den Staaten gegenüber, die europaweit für mehr Steuergerechtigkeit plädieren.

 

Ein Staat platzt aus allen Nähten

 

Ein weiteres Problem für Malta bahnt sich im Vorzeigesegment des Tourismus an. Im nächsten Jahr wird Maltas Hauptstadt Valletta zur Kulturhauptstadt Europas. Und weil in vielen anderen beliebten Urlaubsländern wie Tunesien oder Ägypten aufgrund der instabilen politischen Situation die Urlauber ausbleiben, wird der Andrang der Touristen noch größer als ohnehin schon.

„Wir sind regelmäßig nach Malta gekommen, aber jetzt haben wir keine Lust mehr, weil der Kreuzfahrttourismus die Insel kaputt macht. Die Leute schwappen nur so in die Stadt“, erzählt ein Tourist aus Valletta, das sich auch aufgrund der vielen Kreuzfahrtschiffe, die tagtäglich mehr Menschen im Hafen der Hauptstadt absetzen, kaum noch gegen den Menschenandrang behaupten kann.

Video: Bis heute kann Maltas Hauptstadt Valletta Besucher mit faszinierenden Bauten beeindrucken.

 

Dies wiederum belastet die heimischen Malteser. Zudem gibt es auf Malta immer weniger Grünflächen zu sehen. Stattdessen wird gebaut. Seit der EU-Mitgliedschaft 2004 wurden viele Millionen Euro in die maltesische Infrastruktur gesteckt. Dies kommt zwar auch den Einheimischen zugute, nach Jahren von Baustellenlärm und –staub wünschen sich viele Menschen aber auch wieder etwas mehr Ruhe im Land.

„Malta braucht nicht ständig neue Gebäude, sondern Grünflächen“, meint Astrid Vella von der Umweltorganisation FAA. Zuletzt sorgte ein riesiger Gebäudekomplex für Aufsehen, der als Shopping-, Casino- und Hotelzentrum für Superreiche fungieren soll. Dass solche Bauvorhaben überhaupt möglich sind, soll auch auf eine angeblich korrupte politische Führung zurückgehen.

Deswegen hat Ministerpräsident Muscat für den 03. Juni dieses Jahres Neuwahlen angekündigt. Der Sozialdemokrat sieht sich mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, zudem steht auch seine eigene Familie im Zusammenhang mit den durch die Panama-Papers veröffentlichten Briefkastenfirmen. Nach den Neuwahlen wird sich zeigen, ob Malta seinen politischen Kurs beibehält oder ob es schon bald eine grundsätzliche Neuausrichtung geben wird.

 

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