Das Käserennen: Der verrückteste Sport der Welt?

Jedes Jahr im Frühling versammeln sich Tausende von Menschen aus aller Herren Länder im kleinen britischen Städtchen Cooper’s Hill in der Provinz Gloucester, um das seltsame und wunderbare Ereignis des Käserennens mitzuerleben.

Es gibt unterschiedliche Wege sich mit Adrenalin vollzupumpen: Einige springen aus einem Flugzeug in 5.000 Meter Höhe, andere nehmen ein Eisbad oder holen sich den gewünschten Nervenkitzel, wenn sie beim Roulette-Spiel All-in gehen. Aber was veranlasst die Adrenalin-Junkies einem Laib Käse bergabwärts nachzusetzen und dabei bei dem enormen Gefälle des Hügels Leib und Leben zu riskieren. Und dies alles im Namen des Käses!

Das Prinzip und die Regeln dieses Sports sind einfach: Die Teilnehmer jagen einem drei bis vier Kilogramm runden Käselaib nach, einem – vor dem Rennen – wohlschmeckenden Double Gloucester-Käse, der einen unglaublich steilen Hügel hinunterrollt. Die erste Person, die die Ziellinie am Fuß des Hügels überquert, wird zum Käsechampion gekürt, und der Laib Käse ist neben all dem Ruhm der zu gewinnende Hauptpreis. Dieser spezielle Hartkäse, der von der lokalen Käserin Mrs. Smart hergestellt wird, wird von einer Holzumrahmung geschützt und vor dem Start des Rennens mit bunten Bändern geschmückt.

In der Vergangenheit musste man den Käse fangen, um zu gewinnen, da dieser aber Geschwindigkeiten von bis zu 110 km/h erreicht, und mit einer Sekunde Vorsprung ins Rennen geht, ist dieses Vorhaben nicht nur nahezu unmöglich, sondern auch unglaublich gefährlich. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass bei der Hetzjagd nach dem schwer fassbaren Käsegeschoss sich bereits viele Starterinnen und Starter die unterschiedlichsten Verletzungen zugezogen haben. Die Liste der Verletzungen reicht von blauen Flecken, Gehirnerschütterungen, gebrochenen Beinen bis hin zu ausgerenkten Schultern. Die Vielzahl der Krankenhauseinlieferungen und die Sorgen um Gesundheit und Sicherheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer führten 2010 sogar zu einem Verbot des „Cheese-Roll“ Wettbewerbs. Seit damals veranstalten jedoch rebellische Käsefreunde ihre eigenen inoffiziellen Hügelmeisterschaften.

Dieser Event besteht aus insgesamt vier Rennen – drei für Männer und eines für Frauen – und die Teilnehmeranzahl ist mit 14 Personen pro Rennen limitiert, eine Zäsur für diese Veranstaltung, denn vor einigen Jahren wurden noch bis zu 40 Personen in einem Lauf zugelassen. Die Veranstaltung wird jedes Jahr von eigens dafür bestimmten Zeremonienmeistern feierlich mit dem Ruf „Einer, um bereit zu sein, zwei, um stabil zu sein, drei, um sich vorzubereiten und vier, um loszulegen“ eröffnet. Anschließend stürzen sich die teilnehmende Konkurrenz todesverachtend den Hügel hinunter.

Die ersten bekannten schriftlichen Aufzeichnungen von diesem Rennen stammen aus den 1820er Jahren, aber die Ursprünge dieses ungewöhnlichen Sports sollen bis in die Römerzeit zurückgehen. Eine Gründungsgeschichte dieses Rennens besagt, dass damit die Aufrechterhaltung der Weiderechte auf den benachbarten Feldern gewährleistet wurde, während eine andere besagt, dass der ganze Event eigentlich heidnischen Ursprungs ist, bei dem die Menschen Bündel brennenden Reisigs den Coopers Hill hinunterwarfen, um die Geburt des neuen Jahres nach dem Winterende zu feiern. Was auch immer der ursprüngliche Grund dieser Veranstaltung war, dieses Käserennen ist im kollektiven Herz der Stadt verankert und jeder der Einheimischen weiß zumindest eine Anekdote über dieses Rennen zu erzählen. Eine davon besagt, dass während der Lebensmittelrationierungen im Zweiten Weltkrieg, der Käselaib durch ein Rad aus Holz ersetzt wurde, nur damit die Show weitergehen konnte.

Obwohl diese sportliche Veranstaltung nichts für schwache Nerven ist, kann im Grunde genommen jeder an diesem verrückten Rennen teilnehmen. Die meisten Starter stammen aus den Nachbardörfern, aber dieses Rennen zieht Menschen aus der ganzen Welt an. Es hat auch schon Gewinner und Gewinnerinnen aus Neuseeland, Australien, den USA und Nepal gegeben.

Aber dieses sportliche Ereignis ist wie geschaffen für einen ganz bestimmten Mann, denn Chris Anderson, aus der Gegend von Brockworth, am Fuße des berühmten Hügels gelegen, hat dieses Rennen bereits beeindruckende 23-mal gewonnen und ist damit Rekordsieger. Bei den Frauen hält die Einheimische Florence Early den Rekord, denn Sie konnte bereits viermal einen Laib Käse mit nach Hause nehmen. Und bevor sie ihre Bergablaufschuhe an den Nagel hängte, spielte sie noch in einer Netflix-Dokumentation über das Ereignis mit. Der treffende Titel dieses Streifens lautete: „We Are The Champions“.

Für die Teilnahme an dieser Käse-Challenge ist weder ein bürokratischer Papierkram zu erledigen, noch müssen besondere sportliche oder körperliche Kriterien erfüllt werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erscheinen je nach Lust und Laune einfach am betreffenden Frühlingsfeiertag am Cooper’s Hill und melden sich für das Rennen bei den Organisatoren an. Für diejenigen, die aber dennoch vor dem Start ein wenig aufgeregt sind, und noch etwas Mut tanken müssen, können dies im nahe gelegenen Pub „The Cheese Rollers“ mit lokalem Ale tun. Aber auch nach dem Rennen werden hier die neuesten Geschichten über das soeben beendete Rennen ausgetauscht, es wird gefeiert, getröstet und manchmal auch noch verarztet.

Photo by Max Nayman on Unsplash