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Die eine große Liebe

Sagt über uns Männer, was ihr wollt. Aber wir können sehr sentimental sein. Besonders, wenn wir von der einen, wahren, meist unerfüllten Liebe sprechen. Falls wir überhaupt jemals darüber sprechen und den Schmerz nicht einfach still und heimlich unser Leben lang durch jede weitere Beziehung tragen und aus Stolz behaupten, das wäre lange vorbei (schließlich soll die aktuelle Frau nicht das Gefühl haben, sie sei die Nummer Zwei!).

Ob wir darüber sprechen oder nicht, es gibt sie, die ewige Nummer Eins. Sie lebt in unserer Vergangenheit und die einzigen Männer, die mir da jetzt widersprechen, sind mit ihr zusammen oder haben sie bestenfalls geheiratet.

„Sag es nicht deiner Mutter …“

… so würde ein selten intimes Männergespräch mit dem Vater wohl beginnen, wenn es um die eine große Liebe geht. „… aber ich habe die größte Liebe in meinem Leben nicht geheiratet.“ Sofort drängt sich eine offensichtliche Frage auf: „Warum nicht?!“ Die Antwort ist immer die gleiche: „Es war kompliziert… Wir haben uns getrennt und jemand Anderen geheiratet.“ Der Blick schweift ab und wird nostalgisch: „Versteh mich nicht falsch, ich liebe deine Mutter wie keine andere Frau auf der Welt, aber ich habe nie wieder so intensiv geliebt wie damals, als ich noch jung war.“

Tiefgreifende, verzweifelte, manchmal persönlichkeitsverändernde Gefühle scheinen einer funktionierenden Beziehung wohl im Weg zu stehen. Wie kann es sein, dass unser Herz und unsere Erinnerung ein Leben lang an einer einzigen Frau hängen bleiben, obwohl wir Männer nicht gerade als monogam gelten?

Ich glaube, das liegt an unserem Kopf

Wir romantiesieren in unserer Erinnerung. Vergessen das Schlechte, vermissen das Gute und verklären Vergangenes. Alles wird zu Nostalgie.

In meiner Erinnerung gibt es diese Frau auch. Die Frau, bei der ich mir einbilde, alles stehen und liegen zu lassen, um mit ihr durchzubrennen, sobald sie an meiner Tür klingelt. Obwohl (oder gerade weil) sie mir vor langer Zeit das Herz gebrochen hat. Ziemlich romantisch und auch ziemlich verklärt. Ich habe nämlich irgendwann festgestellt, diese Frau in meiner Erinnerung und meinen Träumen, die gab es gar nicht. Sie war nie real. Die Person schon, ihr Duft und ihr Lächeln, das war alles real, aber der Rest, ihr Charakter, den habe ich falsch wahrgenommen. Ich habe bestimmte Dinge ignoriert und im Nachhinein verklärt. Wahrscheinlich hat es deswegen nicht mit uns funktioniert. Und ich kann froh darüber sein.

Aber der Gedanke an diese Liebe ist trotzdem real

Ob es die Frau so gab oder nicht: Die Erinnerung an die Gefühle, süß wie bitter, ist real und auch etwas die Angst, es könnte nie wieder mit einer Anderen so werden.

Doch daran bin dann nur ich selbst schuld, denn für die Liebe braucht man Mut. Sehr viel Mut. Wir dürfen nicht vergessen, frühe Liebe ist kompromissloser, unerfahrener, sogar angstbefreiter und deshalb mit vollem Herzen. Durch schlechte Erfahrungen verlernen wir diesen jugendlichen Leichtsinn ein wenig, wenn auch nicht ganz.

Wer Angst hat, hat schon verloren

Einen Schuss Masochismus und ein wenig Bereitschaft zur Selbstaufgabe braucht man für die Liebe schon, denn man kann für alles, was man tut, nie eine Gegenleistung verlangen. Die muss von selbst kommen. Sonst rutscht alles sehr schnell ab in Unzufriedenheit und Vorwürfe.

Eine sehr gute Freundin sagte mir vor kurzer Zeit: „Wenn du jemanden magst, dann schau dir ihre Freunde ganz genau an. Kommst du mit ihnen zurecht und werden sie auch zu deinen Freunden, dann behalt sie, denn die Liebe wird irgendwann weniger und dann bleibt nur die Freundschaft. Gibt es keine Freundschaft, dann bleibt nichts.“

Viel wichtiger als die Chemie in unserem Kopf, die uns das Herz in den Hals und das Blut in den Schoß schießen lässt, scheint der Respekt und die Freundschaft zu sein, die wir für unseren Partner empfinden. Jedenfalls auf lange Sicht.

Ein Denkmal

Ist es nun schlimm, diese eine ewige Nummer Eins mit uns herumzuschleppen und in unserer neuen Beziehung immer wieder an sie zu denken? Ich finde nicht.

Ich glaube, dass jeder so einen Menschen in seinem Leben hat. Ob Mann oder Frau. Und ich glaube, dass es gut ist, so jemanden nie zu vergessen, denn schließlich ist es ein Beweis, ihn wirklich ehrlich und aufrichtig geliebt und für immer von ihm gelernt zu haben. Da ist es nur gerecht, aus Dank für diese süße und bittere Zeit einen ewigen Platz in unserem Herzen anzubieten.

Matthias Starte ist Autor und Filmemacher. Im Norden geboren, in München Zuhause. Am liebsten isst er Bacon-Cheeseburger, trinkt dazu Spezi und redet mit anderen Vinyl-Snobs über Interviews mit Questlove. Aktuell arbeitet er an seinem Langfilmdebüt und schreibt diese Kolumne über Liebe und Beziehung.

Bildquelle: Pixaby unter CC 0