Fall „Drachenlord“: Das Totalversagen von Justiz, Medien und Gesellschaft

Die Spiegel-Kolumne 

Lobo schrieb nun in seiner Spiegel-Kolumne, das Urteil des Verfahrens sei seiner Meinung nach ein empörendes, das von Unwissen, Unwillen und Unverständnis des Amtsgerichts und der Staatsanwältin zeuge. Der Fall des „Drachenlords“ sei eine Versagensgeschichte der digitalen Gesellschaft, verantwortet von Medien, Politik, Exekutive, Jurisdiktion und dem Publikum.  

Die vielen Beleidigungen, Bedrohungen und Herabwürdigungen, die der YouTuber jeden Tag ertragen muss, gehen mittlerweile in die Hunderttausende. Sie ragen in sein Privatleben, ihm wird aufgelauert, seine Schwester bedroht und das Grab seines Vaters geschändet. Im Sommer 2018 kam es sogar soweit, dass sich rund 800 Personen um sein Haus  versammelten, Steine, Eier und Böller darauf warfen. Die vielen Hater*innen, ein regelrechter Hassmob, behaupten, es sei ein Spiel, Winkler wolle es selbst so. In Wahrheit, so Lobo, habe sich der YouTuber jahrelang versucht zu wehren und schließlich probiert, irgendwie damit zu leben. Es handele sich nicht um ein Spiel, hier wird jemand gequält, mit dem im Netz erklärten Ziel, Winkler in den Selbstmord zu treiben.

Doch Cybermobbing ist in Deutschland bisher kein Straftatbestand. Laut Lobo sei Winkler ein Opfer, das unsagbar gequält wurde und dem nichts blieb, als sich zu wehren – das Urteil stelle eine klassische Täter-Opfer-Umkehr dar, mit aufwendigsten Mitteln. Der Hassmob versuche Winkler Sätze zu entlocken, auf deren Basis behauptet wird, er sei Holocaust-Leugner, Rassist, Frauenfeind. Über Jahre sorgten die Hater*innen laut Lobo so dafür, dass die Ergebnisse einer oberflächlichen Recherche Winkler als schlimme Person erscheinen ließen. Natürlich habe Winkler sich falsch verhalten – aber aus „einer tiefen, unentrinnbaren Verzweiflung und erzwungenen Alternativlosigkeit heraus“, so Sascha Lobo.

Wie es in dem Fall weitergehen wird und ob „Drachenlord“ seine Strafe abwehren kann, wird die Zukunft zeigen. Warum manche Menschen zu so viel Hass fähig sind, ist einfach nur erschütternd und traurig.

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Bildquelle: Sebastiaan Stam von Pexels; CC0-Lizenz