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Ein Tag als Praktikantin – in der Pathologie

In den Kellerräumen der Klinik wartet dann ein wahrer Schatz auf den unvorbereiteten Besucher: eine Sammlung, die 1149 Feuchtpräparate, Wachsmoulagen und historisches medizinisches Werkzeug umfasst. Dieser Teil der Klinik kommt einem Horrorkabinett wohl am nächsten. Besonders die Nachbildungen diverser Haut- und Geschlechtskrankheiten bleiben im Gedächtnis. Schon mal Gangrän gesehen? Oder eine Raucherlunge in ihrer vollen Pracht? Für schwache Mägen ist das Ganze nichts, wer morbid veranlagt ist, findet aber ein wahres Schlaraffenland vor. Ich kenne die Sammlung schon, laufe aber auch beim zweiten Mal vollkommen fasziniert an den großzügig bestückten Schaukästen vorbei. Menschliche Oberflächlichkeit in ihrer ganzen Hybris verstehe ich danach noch weniger. Dein Aussehen ist dir furchtbar wichtig? Diggi, hast du schon mal nachgeguckt, wie du von innen aussiehst?

Trotz oder vermutlich gerade wegen der falschen Vorstellungen über diesen Beruf ist das öffentliche Interesse an der Pathologie riesig. Das Institut bietet deshalb mehrmals im Jahr öffentliche Führungen an, Riepertinger selbst hat ein Buch über seinen Beruf geschrieben, das den Titel Mein Leben mit den Toten trägt. Er fände es eigentlich ganz schön, sagt er, dass sich die Leute so sehr für dieses Gebiet interessieren würden. „Wenn ich dadurch Halbwissen aus der Welt räumen kann – umso besser.“

 

Könnte ich diesen Beruf ausüben?

 

Wie viele Spuren die Arbeit mit den Toten hinterlassen hat, lässt sich bei Riepertinger schwer sagen. Er ist ein abgeklärter Typ. Muss er ja sein. Als Oberpräparator gehört es unter anderem zu seinen Aufgaben, Leichname wieder herzurichten, die durch Gewalteinwirkung entstellt wurden, damit sich die Angehörigen anständig verabschieden können. Überbordende Emotionalität ist da sicherlich keine Hilfe.

Während wir durch die Gänge des Instituts streifen, das in vielen Ecken eher an ein Museum als an einen Teil des Klinikums erinnert, frage ich mich, ob ich das alles tun könnte. Tote sehen, berühren, versorgen, Tag für Tag. Ich bin keines dieser Behutsamkeitsopfer, von denen er gesprochen hat, ich wurde schon oft genug mit dem Tod konfrontiert. Und trotzdem: einen Körper, in dem mal etwas wohnte, vielleicht eine Seele, vielleicht etwas anderes, einen solchen Körper also vor sich zu haben und dabei zu vergessen, dass dieser Körper mal ein Mensch war, das stelle ich mir sehr schwierig vor.

Als ich mir vor der Tür meine Zigarette anstecken will, habe ich unweigerlich wieder die Nachbildung der Raucherlunge vor Augen, die ich zuvor in der Sammlung gesehen habe. Ich stecke die Kippe wieder weg. Fürs Erste zumindest.

 

 

*im Gegensatz zum Präparator ist der Pathologe Akademiker. Der Präparator hat seine Ausbildung an der höheren Berufsfachschule für präparationstechnische Assistenten in Bochum erhalten oder ist Quereinsteiger, während der Pathologe ein Medizinstudium abgeschlossen hat.

 

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Bildquellen: (c) Juliane Becker