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Fremdgehen: Ist man als Seitensprung mitschuldig?

Ihr weißes Kleid ist zu sommerlich für eine Januarnacht, überstrahlt fast ihr Lächeln. Sie kommt auf mich zu, ihre Freunde hätte sie im Club verloren, ob sie mit uns weitertanzen könne. Ich strahle zurück, von drei Bier benebelt, frage sie nach ihrem Namen und stelle sie den anderen vor. Ob sie bei mir schlafen könne, fragt Laura nach der dritten Zigarette, sie wohne in Salzburg, mit ihrem Freund. Ein weiteres Bier später zerre ich sie von den Lippen und Armen eines Freundes weg. Sie hat einen Freund, böses Mädchen. Die Tanzfläche leert sich, irgendwo an die Wand angelehnt, wartet sie. Ich bin versucht, sie zurückzulassen, gehe, doch sie folgt mir.

Sie erzählt von ihrer kaputten Familie, ihren Freunden, die jedes Mal beim Feiern koksen müssen, das Studium, das zu scheitern droht. Wir laufen nebeneinander durch die Dämmerung. Erst ein paar Stunden später wird mir Barneys Spruch aus HIMYM einfallen: Sie ist wie ein Reh, das sich selbst erschießt und selbst auf meinen Pick up schnallt.

Die globale Erwärmung und die Gene sind schuld

Sie friert, kein Wunder, sage ich naiv, bei dem Kleid. Die zwei Decken reichen ihr nicht, sie kuschelt sich an mich. Der Alkohol ist längst ausgedünstet, ich nehme ihre Nähe hin und ahne immer noch nicht, dass sie das weiße Kleid bald ausziehen wird. Alles läuft jetzt automatisch mit dem bösen Mädchen. Ich komme mir vor wie ein Arschloch. Und trotzdem fühle ich mich nicht schlecht. Dabei ist mein Gewissen keins von der Sorte, das mich ungeschoren über rot gehen, Kaugummi auf den Boden spucken oder die Zeche prellen lässt.

Während ich erleichtert feststelle, dass sie einschläft, frage ich mich, warum sie es getan hat. Ich habe betrogen, mit Worten, Gedanken, Küssen, die meine unglücklichen Beziehungen beendet haben. Ist sie unglücklich? Ein Seitensprung passiert, weil die Beziehung eine ernste Wendung wie Kinder, Haus und Hund nimmt, der Sex unbefriedigend und langweilig ist oder weil es einfach wärmer wird. Wird man vom Partner unterschätzt und nicht begehrt, neigt man eher dazu, fremdzugehen. Schön romantisch ist aber auch das Ergebnis der Studie der Binghamton Universität : Untreue, wie Alkoholkonsum, Wetten und die Vorliebe für Horrorfilme, hängen angeblich vom Abenteurer-Gen DRD4 ab. Manchen liegt es also tatsächlich in den Genen.

Meine Karmaweste ist jetzt beige

Als sie aufwacht, sage ich ihr, dass ich müde bin und erkläre ihr den Weg zur Bahn. Sie soll gehen, sie widert mich an, mein Fleck auf der weißen Weste. Meiner Heuchelei bin ich mir vollkommen bewusst. Sie dankt mir für alles und verschwindet, leicht betreten. Ich beneide sie nicht um ihre Gedanken, mit denen sie jetzt alleine ist. Ich muss ihrem Freund später nicht nicht gegenüber stehen und gestehen. Ich bin ungebunden, frei, aber ändert das etwas an meiner Mitschuld? Ist es mein Bier, dass sie ihre Beine nicht zusammenhalten kann? Wäre ich es nicht gewesen, hätte sie jemand anderen gefunden. Bin ich ihr cheat day, an dem sie sündigen darf oder die feige exit option aus ihrer kaputten Beziehung? Sexy hat es sich jedenfalls nicht so wirklich angefühlt, kein filmreifes Prickeln des Verbotenen stellt sich ein, eher das Gefühl, wenn die Musik aus- und das Licht im Club angeht und man die zerbrochenen Flaschen, heimlich gerauchten Kippen und Heimgehresistenten in den Ecken sieht.

Aber warum habe ich dafür hergehalten? Kein Alkohol kann mich entlasten, keine genetische Vorbelastung, keine Soziopathie, soweit ich weiß. Befrage ich das Internet, fehlt mir aber angeblich Empathie, die mich davor bewahrt hätte, mich von diesem Mädchen verführen zu lassen. Denn ansonsten hätte ich an den armen Tropf, ihren Freund gedacht. Ohne Moral und Integrität sei ich, schimpft die Internetgemeinde. Die Post-Verfasser sind, zu der Vermutung lasse ich mich hinreißen, selbst betrogen worden oder strikte Befürworter der unanfechtbaren Monogamie.

Weil ich es kann

Nach jahrelanger konservativer Beziehung, in der ich ähnlich über Untreue und Betrug geurteilt habe, hätte ich in der Nacht nicht uneleganter von meinem hohen Ross absteigen können, nicht unfeiner den moralisch erhobenen Finger senken können. Warum lasse ich mich wissentlich auf jemanden ein, der in einer festen Beziehung ist? Diese Frage beantwortet Tiffany Anton, Sextherapeutin ähnlich wie die Frage nach dem Grund, weshalb sich der Hund die Eier leckt. Weil ich es kann. Sie widerspricht mit ihrer Erklärung Farrah Grays Artikel, der zusammenfasst, dass ein Mensch, der sich auf einen Seitensprung oder eine Affäre mit einem vergebenen einlässt, egoistisch, unmoralisch, verfügbar, psychopathisch, verzweifelt und einfach nur dumm ist. Nach Antons Meinung jedoch ist mein Verhalten neben der Tatsache, dass ich angeborene Bedürfnisse habe, damit zu begründen, dass ich den Kick und die Unverbindlichkeit genossen habe. Ich wundere mich über mich selbst, mir gefällt aber diese Begründung besser als Grays Unterstellung, ich sei einfach dumm. Antons Ausführung verharmlost die Nacht, entlastet mich aber irgendwie doch nicht von meiner Verantwortung. Keine Absolution. Meine weiße Weste ist jetzt eben beige.

Am nächsten Tag fühle ich mich anders. Erwachsener und gefühlskalt. Mein bester Freund fragt nach dem gestrigen Abend. Ich erzähle ihm nicht, dass das Mädchen im weißen Kleid aus mir ein böses Mädchen gemacht hat. Wenigstens kann ich das von meiner sex bucket list streichen – been there, done that.

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Bildquellen: Porsche Brosseau über CC BY-SA 2.0