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Sexismus: Hinter dem DJ-Pult sollten Geschlechter egal sein…

Von Lennart Zech

Stille. Dunkelheit. Und dann dropped der Beat: Vor blickenden Lichtern und inmitten stroboskopischer Blitze lassen sich nun schemenhaft die Umrisse einer Frau ausmachen. So steht sie da oben und feiert ihre Musik. Ihre eigene! Die DJ-Frau. Ein schönes, wenn auch viel zu selten gesehenes Bild. Laut dem internationalen Künstlerinnen-Netzwerk „female:pressure“ sind gerade ein mal zehn Prozent der Turntable-Bediener auf großen Festivals Frauen. Doch warum ist das so? Ist es der alltägliche Sexismus oder steckt da noch mehr dahinter?

Zu Beginn meiner Erkenntnissuche unterhalte ich mich mit David Süß und Peter Fleming vom „Harry Klein“. Die Besitzer und Geschäftsführer vom Elektro-Techno-Schuppen lassen im April fast ausschließlich Frauen auflegen. Neben bekannten Gesichtern und Turntable-Urgesteinen wie  Bebetta, Electric Indigo oder Acid wollen die beiden auch aufstrebenden Künstlerinnen die Chance geben, sich zu präsentieren.

 

Für Frauen ist eine solche Gelegenheit gut und wichtig.

 

Agathe Labus, Studentin der Hochschule für Musik in Nürnberg, hat ihre Bachelorarbeit über die Rolle der Frau in der Musik geschrieben. „Die Spitze des Klischee-Eisbergs ist, dass die Frau als sexuelles, begehrenswertes Objekt und nicht als autonomes Subjekt im Besitz ihrer vollen künstlerischen Freiheit und Integrität wahrgenommen wird. Das Frauen in der Musikszene unterrepräsentiert sind, verschärft das Ganze nur, da das System sich selbst reproduziert und ein ewiger Teufelskreis entsteht.“, sagt Agathe. Mit ihrem „Marry Klein“ – Monat, wollen die Clubbetreiber David und Peter diesen Teufelskreis erneut durchbrechen.

 

Warum nur Frauen?

 

Die beiden sind bereits seit den 90er Jahren in der Techno Szene unterwegs. Schon damals stellten sie erschrocken fest, dass es viel zu wenige Frauen in der Szene gibt, die sich doch sonst als offen und tolerant beschreibt. Genauso schnell merkten sie aber auch, dass es gar nicht so schwer ist, einen Ausgleich zwischen DJ’s und Dj-Frauen herzustellen. Achso: DJane sagt man übrigens nicht mehr. David erklärt: „DJane ist sexistisch und erinnert doch eher an das Bild, dass die schwache, unselbstständige Jane, vom Lendenschutz-tragenden Tarzan gerettet und beschützt wird.“

Aber die gendergerechte Bezeichnung DJ-Frau klingt auch nicht so cool. Doch ist das nicht der Sexismus, den sich diese Szene nicht aufdrücken lassen will? Wie wär es denn alternativ mit DJin? Disjockey. Diskjockeyrin. So wie: Dolmetscher, Dolmetscherin. Vielleicht ist es noch gewöhnungsbedürftig. Doch es ist angepasst und in meinen Augen ein Mittelweg, um die fordernde, genderdenkende Gesellschaft mit geschlechtergerechten Bezeichnungen zu befriedigen.

 

Verantwortung übernehmen

 

Mit ihrem „Marry Klein – Monat“ wollen die Clubbetreiber David und Peter ihre kulturelle Verantwortung übernehmen. „Das, was wir damals erlebten, als die Subkultur Techno gerade groß wurde, wollen wir nun an die nächste Generation weitergeben. Wir wollen uns für Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen in der elektronischen Musik einsetzen.“

Mit Hilfe von Förderungen durch die Gleichstellungsstelle und das Kulturreferat München konnten die beiden nun erneut das einmonatige Programm auf die Beine stellen. Auch Agathe hat in ihrer Forschungsarbeit festgestellt, dass es immer mehr Frauen-Förderprogramme, Datenbanken von Musikerinnen oder Booking Agenturen gibt, die sich auf Frauen spezialisieren. „In wieweit sich an der großen Problematik etwas ändern wird, ist leider schwer vorauszusehen. Wünschenswert ist es allemal. Ich bin der ewigen Boys-Bands nämlich selber schon überdrüssig.“ sagt Agathe.

 

Es geht um mehr, als um den Club

 

Mit DJ-Workshops, Filmvorführungen oder Workshops zum Digital-Painting oder zur Labelarbeit möchten Peter und David den Frauen einen Zugang in die gewachsene Männerstruktur ermöglichen. „Bei Männern ist es so, dass sie mutig sind und sich einfach ausprobieren.“ sagt Peter. „Frauen müssen dazu angeregt werden.“ Somit wollen die „Marry Klein“- Initiatoren auch ihre nächtlichen Feier-Gäste mit den gesellschaftlichen Strukturen konfrontieren und sie zum Reflektieren anregen.

 

Keine Unterschiede. Oder doch?

 

Agathe stellte während ihrer Nachforschungen fest, dass es erhebliche Unterschiede in der Wahrnehmung von Männern und Frauen als Musiker beziehungsweise Musikerinnen gibt. Dies liegt schon in der Geschichte begründet, in der es Frauen jahrelang verboten war, ein Instrument zu spielen. „Oft sind Frauen auch unbewussten und unterschwelligem Sexismus ausgesetzt. Da kommen dann Sprüche wie: Was, du legst auf? Dass du dich DAS traust, so als Frau…“

Nun ist es aber so, dass Djinnen, ja, das muss so klingen, sich über ein Alleinstellungsmerkmal definieren. Dass das Aussehen dabei eine große Rolle spielt, liegt auf der Hand. „Das Publikum interessiert sich leider doch sehr für das Erscheinungsbild einer Musikerin, während ihnen die Dickbäuchigkeit der Männer oder deren „Bühnenklamotte“ herrlich egal zu sein scheint.

 

Der Sexismus geht da erst los

 

Durch dieses Alleinstellungsmerkmal haben Frauen es nach Agathe zunächst leichter. Doch: „Der Sexismus geht an dieser Stelle oft erst richtig los. Meistens werden Frauen schlichtweg nicht die gleichen Fähigkeiten zugetraut wie ihren männlichen Kollegen.“ Auch David sagt, dass er, wenn er sich mit seinen Kollegen über das Thema DJinnen unterhält, doch eher auf negative Resonanz stößt. „Da kommen dann immer Sprüche wie: Ja, wir lassen halt hauptsächlich Männer auflegen, denn es geht uns ja nur um die Musik.“

Dass das absolut keinen Sinn macht, zeigen alle DJinnen in diesem Monat im Harry Klein. Und eigentlich ist, beziehungsweise sollte, es doch egal sein, wer da oben steht oder wer da unten tanzt. Denn wenn der Sound stimmt, die Lichter flackern und der Beat dropped, sind wir alle gleich.

 

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Bildquelle: Heinrich-Böll-Stiftung via CC BY -SA 2.0