Hassobjekt: Pakete der Nachbarn

Hassobjekt: Pakete für die Nachbarn annehmen

Jeder kennt sie, jeder hasst sie und doch brauchen wir sie wie die Luft zum Atmen: Nervige Klientele und unnütze Gegenstände des Alltags, über die man sich so richtig schön echauffieren kann – da geht es den ZEITjUNG-Autoren nicht anders. Deshalb lassen wir unserer Wut in der Reihe „Hassobjekt“ einfach freien Lauf und geraten überspitzt in Rage. Eins ist sicher: Nichts ist uns heilig und keiner wird verschont. Dieses Mal auf der Abschussliste: Pakete für die Nachbarn annehmen.

Es klingelte heute drei Mal. DHL, UPS und Hermes standen jeweils im Dreistundentakt vor meiner Wohnungstür. Ob ich nicht ein Paket annehmen könnte, nuschelt mir der Paketlieferdienst schnell ins Gesicht. Ehe ich mich versehe, hält er mir sein Touchpad unter die Nase und nötigt mich zur Unterschrift. Drei Mal spielt sich haargenau diese Szene ab, bis um 20.30 Uhr dann Hermes zum letzten Mal meinen Tagesflow stört. Nein, ich habe kein Online-Shopping-Problem. Meine Nachbarn haben eines. Und zwar ALLE unseres Zehneinheiten-Hauses. Ich hasse es, ihre Pakete anzunehmen. And this is how the story goes.

Bestell halt nichts, wenn du in den Urlaub fährst

Ich bin eigentlich nicht sonderlich oft tagsüber Zuhause, aber jedes Mal, wenn ich es dann doch bin, klingelt es regelmäßig an der Tür. Gestresste Paketlieferer stehen dann schwitzend und in Eile vor mir und drängen mir unzählige Pakete auf. Zähneknirschend nehme ich an und hafte nun mit meiner Unterschrift für die Online-Shopping-Ausbeute meiner Nachbarn. Kommt was weg, ist es meine Schuld. Somit kann ich die Pakete nicht einfach vor die Wohnungstüren meiner Nachbarn stellen, könnten ja geklaut werden. Also stelle ich die Päckchen in meine WG-Diele, die im Übrigen gerade so zwei Quadratmeter fasst. Diese zwei Quadratmeter werden nun munter von diversen Paketen okkupiert. Muss ich halt ins Bad klettern.

Nun kommt mein Part, denn ich muss nun die eigentlichen Empfänger kontaktieren. Tue ich das nicht, kommen erst nach Wochen, wenn meinen Nachbarn spontan eingefallen ist, dass sie ja vor zig Wochen was online bestellt hatten, erste Nachrichten: „Huhu, kann es sein, dass ein Paket von mir bei euch liegt?“. „Ja, seit circa zwei Wochen“. „Oh haha, upsi sorry, wir waren im Urlaub. Wann können wir es denn abholen?“. Bestellt halt nichts, wenn ihr in den Urlaub wollt – schreie ich dann innerlich.

Es ist nämlich so: es stört mich ungemein, wenn meine Nachbarn aus eigener Bequemlichkeit meine Verfügbarkeit ausnutzen. Klar ist es einfach für sie, alles laufen zu lassen und zu warten bis die liebe Nachbarin sich selbst meldet. Ich habe aber keine Zeit und keinen Bock mich um den Scheiß meiner Nachbarn zu kümmern.

Ich verstehe, dass neben einer 40 Stunden Woche nicht auch noch Zeit ist, Pakete daheim zu empfangen. Ja, ich finde es auch blöd, dass die Lieferzeiten sich mit meinen Arbeitszeiten schneiden. Und dass die Sachen, die wir online bestellen, nun mal einige Zeit, die sich auch nicht immer kalkuieren lässt, brauchen. Aber es gibt mittlerweile genügend Alternativen: Ich kann mir meine Pakete in die Arbeit oder an ein Postfach schicken lassen. Manche Dienste bieten auch an, einen bestimmten Ablageort, sowie das Ablagedatum festzulegen. Und in der allergrößten Not kann ich auch mal Zuhause bleiben, wenn das Paket so unglaublich wichtig ist. Oder es ganz old school am Wochenende richtig analog im Geschäft kaufen. Vom Aussterben des Einzelhandels fange ich an dieser Stelle erst gar nicht an.

Die Rollen sind vertauscht: Ich bin die Bittstellerin

Ich habe ja grundsätzlich überhaupt nichts dagegen, dass meine Nachbarn online shoppen. Ich selbst bestelle ja auch online. Was ich aber nicht mag, ist, dass meine Nachbarn mich ausnutzen und ihre Bequemlichkeit mich in meinem Wohlbefinden einschränkt. Denn die Boxen in meiner Diele hindern mich in meiner Bewegungsfreiheit und das Hinterherrennen hinter meinen Nachbarn nervt mich kollossal. Denn schließlich wollen sie was von mir! Stattdessen sind die Rollen vertauscht: Ich bin die Bittstellerin, die die Besitzer anbettelt, ihre Pakete bei mir abzuholen, damit ich endlich wieder normal ins Bad gehen kann.

Ihr steht auf meiner roten Liste

Mittlerweile habe ich mir eine mentale Liste angelegt, für welche Nachbarn ich keine Pakete mehr annehme. Die eine Nachbarin bestellt so oft, dass ich nahezu täglich ihre Päckchen und Shoppingtüten in meinem Flur stehen habe. Eine andere Nachbarin hatte ihre Gemüseretterbox bestellt. An sich eine tolle Sache. Nur wurde besagte Kiste bei mir abgeliefert und stand eine geschlagene Woche in meinem Flur. Maße der Kiste: 100 cm auf 50 cm auf 50 cm. Und wog 10 Kilo. Als die Besitzerin dann irgendwann antanzte, bot sie noch recht höflich an: „Nein nein, ich trage die schon alleine nach oben…“

Doch auch wenn ich mental im Verweigerungsmodus bin, durchgezogen habe ich es noch nie. Denn letztendlich steht dann wieder der keuchende Paketzusteller vor meiner Tür und fleht mich an, ich möge doch bitte bitte das Paket für XYZ annehmen. Und ich lasse mich durch mein Mitleid erweichen und nehme das Paket seufzend an.

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Bildquelle: Unsplash unter CCO Lizenz