Hassobjekt: Quorn

Jeder kennt sie, jeder hasst sie und doch brauchen wir sie wie die Luft zum Atmen: Nervige Klientele und unnütze Gegenstände des Alltags, über die man sich so richtig schön echauffieren kann – da geht es den ZEITjUNG-Autoren nicht anders. Deshalb lassen wir unserer Wut in der Reihe „Hassobjekt“ einfach freien Lauf und geraten immer montags in Rage. Eins ist sicher: Nichts ist uns heilig und keiner wird verschont. Dieses Mal auf der Abschussliste: „Quorn“.

Ein Hassobjekt von Carolin Makus. Illustriert von Lotte Düx.

Quooooooorn. Das ist waalisch für fermentierter Schimmelpilzpamps. Quorn ist der aufsteigende Stern am Firmament des Fleisch-Ersatzes. Ein beträchtlicher Teil der „westlichen Bevölkerung“ läuft bereits mit Soja-Intoleranz durchs Leben. Viele wissen zudem vor lauter Seitan-Konsum nicht mehr, wohin mit all dem Herzrasen. Doch Hilfe naht: Fusarium venenatum! Was klingt wie ein Unverzeihlicher Fluch, ist an sich nur ein fadenförmiger Schlauchpilz und Ausgangsbasis aller Quorn-Produkte. Dessen Entdeckung ist das Ergebnis einer ausdauernden Suche von hysterischen Bio-Technologen nach etwas, das nicht vom Tier stammt und „genießbar“ ist beziehungsweise uns zumindest nicht umbringt. Die seit den 60er Jahren anhaltende Panik, die Menschen würden massenweise aus den Latschen kippen, weil uns die Tiere ausgehen, nährt die Forschung nach Ersatz-Produkten. Und ja sicher: Alles, was den Discount-Bärchenwurst-Kaufenden vom Griff ins Müll-Regal abhält, ist gut. Aber: Quorn. Im Ernst? Lassen wir uns das nochmal auf der Zunge zergehen:

 

Wie wird’s gemacht?

 

Vom besagten fadenförmigen Schlauchpilz wird in einem kontrollierten Fermentierungsprozess ein sogenanntes Mykoprotein gewonnen. Mykoprotein ist an sich nichts anderes als eiweißreiche Biomasse aus Schimmelpilzen. Diese stellt den Hauptbestandteil von Quorn dar. Kleiner Flashback in den Mittelstufen-Biounterricht: Fermentierung meint die Umwandlung organischer Stoffe in Säure, Gase oder Alkohol durch Enzyme. Man kann auch Gärung sagen, wenn man nicht angeben will. Kurzum: Am Ende des Gärungsprozesses steht das Mykoprotein. Dieses wird anschließend gefiltert, erhitzt, zentrifugiert und, damit der Pamps nicht zerbröselt, mit Hühnereiweis gebunden. Daher ist Quorn auch nicht vegan. Wenn ihr mich fragt, hätte man sich bei all dem Affentanz auch hierfür noch ein alternatives Bindemittel einfallen lassen können. Aber gut. Inkonsequenz schlägt dir überall entgegen.

 

Wie schmeckt’s?

 

So viel zur Theorie. Und obgleich schon diese allein reicht, um aus vollem Herzen: „Üäääää!“ sagen zu können, wollte ich mal kosten. So als Wissenschaftlerin. Ich habe mir verschiedene Variationen zu Gemüte geführt: Quorn-Hack, Quorn-Würstchen, Quorn-Nuggets. Zusammenfassend kann ich sagen, dass Quorn (ähnlich wie Tofu) je nachdem schmeckt, womit es gewürzt worden ist. Von der Textur her erinnert es an unmotiviertes Hühnchen. Aber auch ein unmotiviertes Huhn findet mal ein Quorn und so kann ich sagen, dass die Quorn-Produkte nicht nach Labor-Explosion schmecken. Aber ja, es bleibt die alte Frage, warum vegetarische Produkte noch immer in Fleisch-Design daher kommen? Vielleicht mangelt es an Möglichkeiten? Von der Scheibe bis zur Kugel kann schließlich alles irgendwie mit Fleisch assoziiert werden, oder? Was bleibt da an Formen noch groß übrig? Quorn-Würfel oder Sternchen würden mir jetzt spontan einfallen. Sei es drum. Für mich ist und bleibt Quorn ein industriell hergestellter Haufen Bähbäh. Ich weiß die Absicht zu schätzen, bin aber nicht überzeugt vom Ergebnis.

 

Qualifiziert zum Hassobjekt 2016 in der Kategorie Transparenz

 

Und wo wir gerade von Sternchen sprechen, möchte ich zu dem kommen, was aus einem unliebsamen Produkt ein Hassobjekt macht: Auf den Verpackungen wird jede Mühe gescheut, über den Herstellungsprozess zu informieren. Logisch. Wohl niemand kauft gern frittierten Schimmel. So steht auf der Vorderseite der Verpackung zum Beispiel, ich zitiere, „Hergestellt mit einer leckeren gesunden Proteinquelle aus nachhaltigem Ursprung*“. Das kann ja nun wirklich alles sein. Geht es noch schweigsamer? Das klingt nach Alien-Popel vom Uranus. Nur wer dem Sternchen auf die Rückseite folgt, wird dezent an das Thema Mykoprotein heran geführt und auch das äußerst schwammig. Da brauchen sich die Quorn-Leute nicht wundern, dass man sich in die Tiefen von Google und YouTube wirft, um zu recherchieren und dann bei Horror-Videos landet. In diesen beklagen trauernde Eltern den Quorn-Tod ihrer Kinder, weil die Produzenten leider versäumt haben, angemessen auf den Verpackungen zu informieren. Der ein oder andere Allergiker geht dann schonmal über Bord. Aber vielleicht haben wir selbst Schuld? Ein Produkt, das vor allem damit wirbt, dass auf der Welt bereits 3 Milliarden Quorn-Produkte erfolgreich verzehrt worden sind, ohne dass dabei jemand ums Leben kam, lässt eigentlich alle Alarm-Glocken läuten, oder? Quooooorn: Zu Recht das Hassobjekt dieser Woche! Sucht weiter, liebe Bio-Technologen.