Darum bekommt Hollywood keine Gesellschaftskritik auf die Reihe

Was wollt ihr erreichen?

Der Film will uns also sagen, dass wir seine weiblichen Figuren und deren Gefühle, Erlebnisse und Leben ernst nehmen sollen, während er seine männlichen Figuren (wenn sie nicht in der Rolle des Bösewichts stecken) ohne mit der Wimper zu zucken durch den Fleischwolf dreht. Wenn ich blutige Action oder ein Historiendrama will, dann genieße ich letzteres sogar – schließlich handelt es sich nur um einen Spielfilm, der mich unterhalten und aus der Realität, in der ich niemandem mit einem Schwert den Kopf abschlagen würde, herausreißen will. Wenn man aber Gesellschaftskritik betreiben und Ungerechtigkeit thematisieren will, dann sticht es nur umso mehr heraus, wenn mit Hollywood-Spielereien wie der Entwertung des (zumeist männlichen) Lebens fortgefahren wird, als könnten diese nicht ebenfalls problematisch sein. Aber das Versprechen von blutigem Gemetzel lockt nun mal viele Action-Fans an, deren Geld sich Hollywood nicht entgehen lassen will – und Männern braucht man sich sowieso nicht anzubiedern. Da riskiert man lieber einen Aufschrei, für den man im Nachhinein „unflexible Fans“ oder Sexismus verantwortlich machen kann, anstatt Hollywood-Blockbuster von Grund auf neu zu denken.

Und das bleibt nicht der einzige Film von Ridley Scott, der für Aufsehen sorgt: „House of Gucci“, ebenfalls dieses Jahr erschienen, wurde heftig von der im Film betroffenen Familie kritisiert. Der Streifen basiert auf der Ermordung von Maurizio Gucci (einem Erben des gleichnamigen Mode-Imperiums) im Jahre 1995 durch einen Auftragskiller, den seine ehemalige Ehefrau Patrizia Reggiani auf ihn angesetzt hatte. Natürlich ist man während der gesamten Produktion kein einziges Mal auf die Familie zugegangen, um mehr Infos über die Hintergründe zu den Begebenheiten und den dargestellten Familienmitgliedern zu erhalten.

So wurde Reggiani zum tragischen Opfer erhoben, welches sich in einer männlich-chauvinistischen Unternehmenskultur durchschlagen musste, und die restlichen Familienmitglieder zu „ignoranten und unsensible Schurken“ degradiert. Dahinter verbirgt sich übrigens der ebenfalls sexistische Gedanke, dass Frauen nur zu Gewalt greifen, wenn sie von jemandem (meistens Männern) dazu getrieben werden. „Wenn ein Mann von einer Frau misshandelt wird, dann wird es ja schon einen guten Grund dafür geben“ – das ist der erste Gedanke, der den meisten Menschen durch den Kopf geht, wenn es um männliche Opfer von Gewalt geht. Ist es das, was ihr sagen wollt? Ich hoffe nicht.