Ein junger Mann mit dunklen Haaren und Bart lächelt in die Kamera. Er stützt sich auf seinem Arm auf. Das Foto ist schwarz-weiß.

„Die Leute sagen: Wie, du bist Model?“: Plus-Size-Model Orcin im Interview

Nervt dich der Begriff Plus Size?

„Nö, für mich ist das ehrlich gesagt voll ok. In der „normalen“ Modelbranche gibt es ja auch verschiedene Kategorien: zum Beispiel für stark gepiercte oder tätowierte Models. Plus Size ist einfach nur eine weitere Untergruppe. Ich finde es eher gut, wenn dieser Begriff verwendet wird, dann wissen Kunden wenigstens direkt, woran sie sind, und finden dich auch einfacher, wenn sie speziell nach großen Größen suchen.“

Warum, glaubst du, gibt es auch heutzutage noch relativ wenige männliche Plus-Size-Models?

„Das zentrale Problem, was bei männlichen Plus-Size-Models auftaucht, ist meistens, dass die Proportionen oder das Aussehen irgendwie nicht stimmen. Ab Größe 42 fällt man unter die Kategorie „Plus Size“, viele Männer mit dieser Größe sind aber zum Beispiel zu klein, um zu modeln. Die Kleidung muss am Model ja auch wirklich gut präsentiert werden können, sonst verkauft sich die Ware einfach nicht. Ich halte es für ziemlich schwierig, männliche Models zu finden, die auch wirklich in die Branche passen.“

Was müsste sich in der Fashionwelt verändern, damit sich mehr Männer wie du trauen, Model zu werden?

„Die europäische Fashionwelt achtet eigentlich nur noch darauf, was in Mailand, Paris, Berlin, Skandinavien oder London passiert. Leider sind Plus-Size-Models dort immer noch eine Rarität. Danach richtet sich auch der Rest der Branche – ich habe zum Beispiel noch nie ein männliches Plus-Size-Model in der Vogue oder auf dem Laufsteg einer großen Marke in Mailand gesehen. In Amerika sieht das ganz anders aus: Dort war das XXL-Model Zach Miko zum Beispiel Teil einer Kampagne für Dolce & Gabbana und ist seitdem auch immer häufiger auf dem roten Teppich zu sehen. Sobald solche Dinge auch hier in Europa passieren, sind Plus-Size-Männer für mich wirklich in der Modewelt angekommen. Denn Szenen wie diese geben dickeren Männern überhaupt erst einmal das Gefühl, dass sie so etwas auch erreichen können. Wenn man aber im Fernsehen oder in Zeitschriften nie mit Fotos von männlichen Plus-Size-Models konfrontiert wird, kommt man auch nicht auf die Idee, sich bei einer Agentur zu bewerben. Ich wusste damals vor 4 Jahren ja auch nicht darüber Bescheid, dass es für Menschen wie mich überhaupt eine Nachfrage gibt.“

Findest du es scheinheilig, dass viele Firmen jetzt zwar auf Diversität setzen, aber Männer mit Plus Size immer noch kaum in Werbungen und der Modewelt auftauchen?

„Ja, manchmal schon. Für mich wirkt das oft einfach wie eine Verkaufsstrategie: Komm, wir zeigen den Leuten jetzt mal, dass wir auch für dicke Menschen Klamotten machen können – da hört es dann aber auch auf. Ich habe auch schon für Kunden gearbeitet, die Bilder von mir gemacht haben, aber die Kleidung auf ihrer Internetseite dann doch an normalen Models präsentiert haben. Es stand dann einfach nur dabei, dass es das Teil auch in großen Größen gibt. Da fängt die Problematik für mich schon an: Die Unternehmen sagen immer, sie wollen machen, machen, machen, am Ende kommt dann aber nichts bei rum. Dabei wird die Mehrheit der Bevölkerung leider dicker, weshalb sich die Repräsentation in der Werbung wirklich erhöhen sollte, um diese Mehrheit auch zu erreichen.“