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Baby, ich erklär‘ dir die Welt: Die Bauchtasche

Eine Kolumne von Marie Hesse

Marie wurde 1989 in Ost-Berlin geboren und legt auf die Himmelsrichtung vor der Geburtsstadt besonderen Wert. Vielleicht ist genau das der Grund, warum sie von nun an regelmäßig eine Kolumne für uns schreibt. In „Baby, ich erklär´ dir die Welt“ untersucht sie popkulturelle Phänomene und schreibt das, worauf die Welt gewartet hat: eine Mischung aus Kultur, Meinung und Erfahrung. Heute versucht sie, die Bauchtasche zu verstehen. 

 

Nichts polarisiert die Massen so sehr wie das Rauchverbot und die Bauchtasche. Letzteres galt vor allem in den 80er und 90er Jahren für Prostituierte und Kiffer als beliebtes Accessoire, doch in diesem Jahr darf auch der birkenstocktragende Durchschnittshipster offiziell zur Hüfttasche greifen. Was also einst den Mitarbeiterinnen des öffentlichen Nahverkehrs vorbehalten war, hat in diesem Jahr endlich auch den Weg auf die Laufstege dieser Welt gefunden. Doch schon jetzt spaltet sie die Generation in „Yay“ und „Nay“.

Doch wer sind eigentlich die Menschen hinter der Bauchtasche? Wie trägt man das fesche Teil ohne sich komplett lächerlich zu machen? Wann hat die Bauchtasche Geburtstag und wie unterscheiden wir jetzt eigentlich den stinknormalen Touristen vom modischen Bobo aus Schwabing oder Maxvorstadt, wenn in diesem Sommer alle ihr Hab und Gut auf Bauchnabelhöhe tragen?

 

Hände hoch und tanzen!

 

Meine Hassliebe zur Bauchtasche fand ihren Anfang im Jahr 1995, als meine Mutter mir ein besonders hässliches Exemplar in Vorbereitung auf eine Wanderung schenkte. „Dann hast du beide Hände frei“, hatte sie mir über beide Ohren lächelnd erklärt und mir das neongrüne Stück auch schon um die Hüfte geschnallt. Was soll ich sagen? Ich war das It-Girl der gesamten Truppe, und weil Mütter bekanntlich immer recht haben und Kinder der 90er immer Kinder der 90er bleiben, ist die Bauchtasche auch 22 Jahre später noch immer ein fester Bestandteil meiner Garderobe. Vor allem auf Festivals war sie mir bisher stets ein treuer Begleiter. Zigaretten, Tampons, Taschentücher, Eintrittskarte, Bonbons und ein Dosenöffner fanden problemlos Platz während ich, wie Mama einst versprach, die Hände frei zum Raven hatte.

 

Happy Bauchtaschentag, bitches!

 

An alle, die sich jetzt fragen, warum eine scheißlangweilige Bauchtasche einen eigenen Feiertag braucht: Ihr habt doch auch Geburtstag, oder? Eben. Jeden zweiten Samstag im März kann man daher die Existenz der Bauchtasche mit ausreichend Blubberwasser begießen und sich aufgeregt mit Konfetti bewerfen. In diesem Jahr knallten die Korken sogar besonders laut. Der „International Fanny Pack Day“ fand heuer nämlich zum zehnten Mal statt.

Zu verdanken haben wir diesen Tag übrigens Nick Yates, der im Dezember 2007 ein Stück Fruchtkuchen und eine Bauchtasche im Zuge einer Weihnachtsfeier geschenkt bekam. Auf dem Heimweg begegnete er einem Obdachlosen, der ihn auf die Bauchtasche ansprach. Yates schenkte dem Mann seinen Fruchtkuchen und hatte in der U-Bahn die Idee für den Feiertag, an dem Bauchtaschenträger aller Art Bedürftigen mit Lebensmittelspenden helfen sollten. Wie das gehen soll? Bauchtasche auf, Lebensmittel rein, Bauchtasche zu und los geht´s! Ganz einfach, vorausgesetzt man weiß, wie das Täschchen richtig getragen wird.

 

Mach’s, aber mach’s bitte richtig

 

Geduld ist nicht so wirklich meine Stärke und wer mich kennt weiß, in mir schlummert ein 42-jähriger Schwarztee trinkender Spießer. Als ich mich im Zuge meiner Recherche für diesen Text daher mit modebewussten Berufshipstern über die richtige Trageweise der Bauchtasche unterhielt, stellte sich schnell heraus: Ich habe entweder absolut keine Ahnung von Mode (eigentlich ausgeschlossen) oder die anderen machen es einfach falsch (sehr wahrscheinlich).

Vergesst, was ihr gelesen oder in YouTube-Tutorials gesehen habt: Die Bauchtasche wird, wie der Name schon vermuten lässt, um den Bauch getragen. Die meist aus Plastik angefertigte Schnalle, in der Bauchtaschenbranche auch unter dem Fachbegriff Blitzverschluss bekannt, ermöglicht wie bei einem Flugzeuggurt eine passgenaue Fixierung des Tragegurtes. Die kleine Tasche an der Front macht das Verstauen kleinerer Gegenstände möglich und gestattet dem jeweiligen Träger gleichzeitig bedingungslose Bewegungsfreiheit. Rauchen, telefonieren, Rad fahren und nebenher drei Reclamhefte, sowie eine kleine Dose Tortellini herumtragen, ist mit der Bauchtasche kein Problem mehr.

 

Die Protestträger

 

Einer muss ja bekanntlich immer Ärger machen und im Fall der Bauchtasche sind das vor allem die Trendhipster. Wien, Berlin, München und London sind voll von Menschen, die die Bauchtasche zur Brusttasche umfunktionieren. Das sieht aber nicht nur komplett bescheuert aus, und ist gleichzeitig total unbequem, es ist auch schlicht und ergreifend einfach falsch.

Bauchtaschen gehören an den Bauch und hier sind drei Gründe warum:

Sicherheit: Auch Kängurus tragen das Wichtigste vorm Bauch. Warum sollten wir es anders machen? Für den durchschnittlichen Taschendieb ist es ein Leichtes, die handelsübliche Handtasche mitgehen zu lassen. Gerade das macht die Bauchtasche, vorausgesetzt sie wird richtig getragen, zur idealen Aufbewahrungsstätte für sämtliche elektronischen Endgeräte, Dokumente und Zimmerschlüssel.


Unauffälligkeit:
Sinn der Bauchtasche ist neben der Aufbewahrung der eigenen sieben Sachen vor allem auch ihre Unauffälligkeit. Gerade die neuen Trendteile, die sich wie Yogaleggings an den Körper schmiegen, fallen kaum noch auf. Tipp für alle, die sich trotzdem schämen sollten: die Bauchtasche 2.0 kann Mann auch unter dem Shirt tragen.

Störfaktor: Schon mal mit einem Jutebeutel über der Schulter Rad gefahren oder im Club die Handtasche des Tanzflächennachbarn gegen die verschwitzten Schultern geklatscht bekommen? Nervt, oder? Mit der Bauchtasche wird keiner mehr die Augen verdrehen, wenn du die Arme hochreißt und dich durch die Menge pogst.