Ein Hobbithaus

„Herr der Ringe“-Serie von Amazon: Ist der Cast nicht divers genug?

Diskriminierung beim Casting

Darauf könnte man jetzt erwidern: „Das ist aber eine ganz andere Situation, weiße Schauspieler*innen werden ja ohnehin oft genug für gute Rollen gecastet“. Das stimmt aber nur zum Teil, denn auch weiße Schauspieler werden oft aufgrund ihrer Herkunft für typische Klischee-Rollen gecastet. So ist „Bankkaufmann Vasili“ in Filmen etwa viel seltener als „Vasili, Kopf der Russenmafia“.

Ein großer Hoffnungsträger für die Repräsentation einer sonst eher unbekannten Kultur war für mich die 2019 auf Netflix erschienene Witcher-Serie. Eine Geschichte nach den Bestseller-Romanen eines polnischen Autors, mit Wurzeln in der slawischen Mythologie und produziert von einem der großen Streaming-Anbieter! Der Cast für die Serie ist im nachhinein sehr divers ausgefallen – „zu divers“ für eine Geschichte, die quasi im osteuropäischen Mittelalter spielt, denken einige.

Der Grund dahinter, so Showrunnerin Lauren Schmidt Hissrich: „Slawische Kultur und Mythologie lassen sich nicht nur auf weiße Menschen beschränken.“ Während ein Teil der Kritik offen rassistisch ausgefallen ist, so übertönte diese Minderheit doch die einfache Sorge vieler nach einer vorlagegetreuen Adaption.

Die Ironie am Casting und dem Anspruch nach Diversität: Im Cast sind gar keine Osteuropäer*innen dabei, keine Pol*innen, Bulgar*innen oder Tschech*innen. Eben die Gruppe, deren Kultur doch eigentlich die Basis dieser Fantasy-Welt bilden sollte, wurden komplett außen vor gelassen. Und das merkt man der Atmosphäre meiner Meinung nach deutlich an.

„Es ist doch nur ein Film!“

„Es ist doch nur Fantasy! Wieso interessiert es dich, welche Hautfarbe alle haben, solange es gute Schauspieler*innen sind?“ Dieser Kommentar taucht häufiger auf und das stimmt auch zum Teil. In vielen Fällen ist die Hautfarbe nämlich tatsächlich egal: Solange James Bond für den MI6 arbeitet und Superbösewichten das Handwerk legt, ist für die Rolle eigentlich irrelevant, ob nun Mann, Frau, schwarz, weiß, hetero- oder homosexuell.

Und wenn du die Hexer-Saga von Sapkowski nicht gelesen oder nicht wenigstens die fantastische Videospiel-Reihe des polnischen Entwicklers CD Projekt Red gespielt hast, dann wird dich das Casting vermutlich sowieso nicht stören: Netflix’s The Witcher ist für dich dann eine weitere gelungene Fantasy-Serie, die schön choreografierte Kämpfe bietet, eine erwachsene Welt voller Gewalt, Sex, Magie und Co. à la Game of Thrones.

Diejenigen, die sich durch mehrere Bücher und Fan-Enzyklopädien gefuchst haben, um ein Gefühl für die Welt und deren Bewohner zu haben, werden jedoch höchstwahrscheinlich enttäuscht werden: Auf sie wirkt die Welt beliebig und seelenlos, die Anfangsfaszination einer fremden Kultur weicht dem Gefühl, nur eine weitere „amerikanisierte“ Fantasy-Serie zu sehen. Und sollte es nicht die Kunst guter Fantasy sein, dass sie uns eben vergessen lässt, dass sie nicht echt ist?