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Girls: Eine Liebeserklärung an die schlimmste Serie unserer Generation

Von Anna Fiedler

 

Die letzte Staffel der New Yorker Mädchen, die mittlerweile gar keine Mädchen mehr sind, hat auch ihre letzten Schritte getan. Lena Dunhams Girls nahm mit der sechsten Staffel ihren Abschied. Sie lupfte ein letztes Mal ihren Rock und verließ die Bühne der Mittzwanziger, nicht ohne vorher nochmal einen unangemessenen Scherz zu machen.

Die vergangenen Staffeln hat man Hannah, Marnie, Jessa und Shoshanna bei unangenehmen Sex-Stellungen begleitet, banalste Streitgespräche erlebt und mehr nackte Haut gesehen, als man sich gewünscht hat. Als die Serie startete, waren Frauen wie diese quasi nicht existent auf den Bildschirmen dieser Welt – und grade deswegen wurden die Folgen über das banale Leben junger, heranwachsender Frauen auch trotz aller unangenehmen Situationen so gut angenommen. Vor dem Fernseher konnte auf einmal aufgeatmet werden.

 

Die banale Hässlichkeit, wie sie nun mal ist

 

Hier wurde keine schweißfreie, gut ausgeleuchtete Hollywood-Variante von Geschlechtsverkehr geboten, die von der Realität so weit entfernt ist wie Hannah von ihrem großen Durchbruch als Schriftstellerin. Hier wurden auch keine engelsgleichen Frauen gezeigt, die morgens in den hektischen Straßen New Yorks mit ihrem Matcha Latte ‚Venti‘ zu ihrem großartigen Job bei einem noch großartigeren Magazin schweben. Abends wurde nicht mit Cosmopolitans in teuren Wohnungen auf die Freundschaft und die Liebe angestoßen. Vielmehr beschwerte sich Marnie über ihre zu perfekte Beziehung, Hannah versank in Selbstmitleid, Jessa beging auf Drogen nur Dummheiten und Shoshanna wusste einfach gar nicht, wohin mit sich in dieser Welt – zur Bewältigung all dieser Probleme ging auch gerne mal eine Tasse mit aus Mohnkapseln gebrühtem Drogengesöff herum. Es war neu. Und provokant. Und genau die Serie, die unsere Generation vielleicht einfach gebraucht hat. Immer noch braucht, wenn man so einige wütende Stimmen der weniger begeisterten Zuschauer hört. Da wird die Autorin der Serie als fette Hure bezeichnet und es wird immer noch großes Bohei um Haare, Figuren und ungeschminkte Gesichter gemacht.

Die Serie triggert den Zuschauer im Laufe ihrer sechs Staffeln immer wieder. So erwischt man sich oft selbst dabei, wie man geniert zur Seite guckt, während man richtig glücklich darüber ist, genau diese Folge grade allein sehen zu können. Oder den Kopf schüttelt angesichts Hannah, die es zum wiederholten Mal schafft, so dermaßen unangebracht aufzutreten, dass man sie packen und schütteln möchte. Und genau das ist der Knackpunkt. Girls drischt so lange auf das Schamgefühl ein, bis man aufgibt und entnervt seine überflüssigen Speckröllchen knetet. Und sie wirft die Frage auf, wieso sich denn alle immer noch mit den verdammten Körperformen von Frauen beschäftigen und sich daran aufhängen müssen. Die Generation von heute guckt sich lieber den Wahnsinn des Alltags an, statt in noch einer Arztserie mitleiden zu müssen, weil alle drei Minuten eine Bombe hochgeht, ein Flugzeug abstürzt oder diverse perfekt proportionierte Protagonisten anderweitig ihr Leben dramatisch verlieren. Schwierige Charaktere, die alle mit etwas zu kurzen Hosenbeinen und schief lächelnd im Leben stehen, scheinen die neuen Mr. Bigs zu sein. Die Welt will mehr Realität von Leuten wie Judd Apatow oder Josh Thomas. Oder Lena Dunham.

 

Die Mädels sind beinahe erwachsen geworden

 

Jetzt sind die Girls aus dem Gröbsten raus und beinahe sowas wie erwachsen geworden. Noch ein Grund, wieso man sie so gerne begleitet hat, die letzten Jahre. Wer kennt es nicht – das Gefühl, nachdem man jungfräulich aus dem Elternhaus in das Leben stolpert. Erwachsen werden muss. Von einem unbeholfenen Vorstellungsgespräch ins nächste stolpert, und nicht weiß, was als Nächstes kommt. Auch dieses Gefühl hat die Serie sehr treffend eingefangen. Und wenn Hannah mal wieder mit ihrem Narzissmus ihren halben Freundeskreis vergrault, ihrem Chef ihre Vagina zeigt oder sich ein Wattestäbchen so dermaßen ins Ohr rammt, dass daraus eine ganze Lebenskrise entsteht – dann weiß man, man ist mit seinen kleinen Wehwehchen gar nicht so alleine. Und vor allem weiß man spätestens dann, dass die eigenen Probleme vielleicht doch gar nicht so banal sind. Oder man weiß wenigstens, dass man immerhin noch nie jemandem im Büro sein Geschlechtsteil gezeigt hat.

Wie man es sieht – Lena Dunham hat mit ihrem Pitch zu Girls bei HBO vor vielen Jahren etwas in Gang gebracht, dass für viele folgende Generationen von Mädchen wichtig sein könnte. Damals sah sie sich und ihre Freunde im Fernsehen nicht richtig präsentiert. Heute sind sie es. Und wenn man immer noch Kommentare von Männern liest, die Dunhams Mädchen als „Serie mit hässlichen, jungen Leuten, die ich nicht mal betrunken anfassen würde“ bezeichnen, dann wird mehr als deutlich: diese Serie ist relevant und wird es auch weiterhin sein. Denn das Leben ist einfach manchmal hässlich, und auch gar nicht mal so gemacht für das Fernsehen und ganz viel Scheinwerferlicht. Dunham und ihre Kolleginnen machen deutlich, dass es gerade das ist, was Frauen oftmals nicht erlaubt ist: hässlich und nicht perfekt zu sein.

 

Wir werden euch vermissen!

 

Gute Freundschaften enden manchmal einfach so. Auch die von Girls. Trotz dem Ende der Serie mit Staffel 6 kann man sich sicher sein, dass etwas hängen bleibt. Nicht nur Schamgefühl. Und vielleicht sitzt irgendwo auf der Welt irgendein Mädchen vor dem Fernseher und freut sich darüber, dass ihre Figur der der Hauptdarstellerin einer bekannten Serie gleicht. Und zwar nicht der Figur von Carrie Bradshaw.