Wie soll Mann sein Männlichkeit heute

Machos sind out, Softies nicht in – wie soll Mann denn jetzt sein?

Die Männer befinden sich in der Krise: Während in den letzten Jahren viel über Frauen und Weiblichkeit diskutiert wurde, blieb der Begriff der Männlichkeit leider ein wenig auf der Strecke. Heutzutage gibt es den Mann als Muskelprotz, Alleinverdiener, Hausmann oder auch als Teilzeit-Daddy. Macho sein ist zwar irgendwie out, aber Softie sein ist auch nicht so wirklich in – der Mann hat es schon nicht leicht in diesem Dschungel von Männertypen. Lange Zeit war der Vater das erste Vorbild in Sachen Männlichkeit, doch mittlerweile gibt es kein gängiges Rollenbild eines Mannes mehr. Qualitäten wie Disziplin, Ehrgeiz, Aggression und Pflichtbewusstsein sind glücklicherweise genderneutral. Einen Haken gibt es allerdings doch: Der Mann muss sich völlig neu orientieren und seine eigene Definition von Männlichkeit finden. Das scheint nicht ganz so easy zu sein, denn in den USA gibt es jetzt sogar einen neu eingeführten Master in Männlichkeit.

Eine eigene Politik für die Männer

Dass Männergruppen sich zusammenschließen und wie Frauen eine eigene Geschlechterpolitik fordern, ist relativ neu. Die sogenannte Männerpolitik beschäftigt sich mit den männlichen oder auch väterlichen Interessen. Seit 2000 existiert das in Deutschland bestehende Netzwerk „Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse“, welches sich regelmäßig mit männerpolitischen Fragestellungen wie „Was macht einen Körper zu einem männlichen Körper?“ oder auch mit der Beschneidung von Jungen auseinandersetzt.

Es scheint die Antwort auf die vorausgehende Emanzipationsbewegung zu sein, denn auch für die Männerwelt hat diese Entwicklung Folgen. Gibt es sowas wie „Die Männlichkeit“ überhaupt noch? – Angeblich schon, denn inmitten dieser großen Orientierungslosigkeit scheint ein Mann die Antwort auf diese Frage genau zu kennen: Der Psychologe Björn Süfke. Er hat sich auf Therapien für Männer spezialisiert und ist Autor des Buches Männer erfindet euch neuZEITjUNG verrät er seine Wahrnehmung von Männlichkeit:

Ein Mann der Probleme und Schwächen hat, ist kein wahrer Kerl

Mir stößt immer wieder auf, dass Männlichkeit heutzutage als etwas Problematisches wahrgenommen wird. Gerade die neuen, modernen Männerbilder werden gegenwärtig nicht so ganz ernst genommen, allerdings möchte den traditionellen Mann auch niemand mehr haben. Medial wird der Mann, der sich um seine Kinder kümmert und den Haushalt schmeißt, oftmals mit einem Kuscheltier in der Hand abgebildet. Er wird ins Lächerliche gezogen.“

Das größte Problem sieht Süfke darin, dass solche Abbildungen die vorhandenen Probleme der Männer nicht wirklich respektieren und das traditionelle Bild des Mannes aufrecht erhalten. Umfragen bestätigen, dass auch die Frauen nicht so wirklich wissen, was sie wollen. Einen liebevollen Hausmann fänden sie zwar nett, aber auf die starke Schulter zum Anlehnen möchten sie auch nicht verzichten – ein Widerspruch. Wie soll Mann denn nun sein?

Das traditionelle Männerbild: Ernährer, Beschützer und starke Schulter – immer noch aktuell?

„Wie der Mann jetzt genau sein soll, ist im Grunde noch nicht ganz klar, denn wir befinden uns in einer Art Übergangssituation. ‚Neue Männlichkeit‘ existiert auch so gar nicht, das ist vielmehr ein Neologismus der Medien. Für mich ist ’neue Männlichkeit‘ eher eine negative Folie, denn der ’neue Mann‘ definiert sich im Wesentlichen ausschließlich darüber, dass er nicht der alte Mann sein möchte. Die Errungenschaften der Frauen in den letzten 50 Jahren haben glücklicherweise auch das Männerbild ins Wanken gebracht, dennoch gibt es noch nicht einen anerkannten alternativ Entwurf des Männerbildes“, so Süfke.

Hatte es der Mann denn früher in seiner klar definierten Rolle als Ernährer und Beschützer der Familie leichter?

„Man kann es den Frauen nicht zum Vorwurf machen, dass sie sich den eierlegenden Wollmilcheber wünschen. Ich bin selbst dreifacher Vater und würde nicht mit meinem Vater tauschen wollen. Es ist eine Überforderungssituation, die aus einer Auflockerung von Festschreibungen entsteht – in meinen Augen großartig und vielmehr eine super Chance für die Männer, sich individuell entfalten zu können“, findet der Psychologe.

Dass die Frage nach der wahren Männlichkeit immer noch unbeantwortet ist, zeigt auch der immer größer werdende Markt von Männertrainern. Der Männercoach Björn Thorsten Leimbach bietet Seminare für Männer an, die nicht wissen, ob sie jetzt eher der nette Mann von nebenan sein sollen oder doch die starke Schulter zum Anlehnen. Der Experte in Sachen Männlichkeit hat folgende Meinung zu dieser Problematik: „Je netter sie werden, umso mehr verlieren sie sich selbst als Mann. Aber auch die meisten Frauen haben wenig Interesse an einem ’netten‘ Mann. Sobald eine Frau die Dominanz über ‚ihren‘ Mann hat, befindet sie sich in der Mutterrolle und betreut einen kleinen Jungen. Da sucht sie sich lieber einen ‚richtigen‘ Mann, um etwas Aufregendes zu erleben.“

Männlichkeit für die Gen-Y: „Die Möglichkeit, sich einen Bart wachsen zu lassen“

Leimbach rät den Männern also indirekt dazu, doch auf die traditionellen Qualitäten eines Mannes zu setzen, um einer Frau zu imponieren. Schwierige Angelegenheit, diese Männlichkeit. Aber was sagt unsere Generation zu diesem Thema?

Jan, 21-jähriger Student aus Köln, sieht das Ganze weniger problematisch und setzt ebenfalls auf die klassischen Werte: „Ich glaube, dass Männlichkeit heutzutage immer noch durch den klassischen Begriff eines Gentlemans definiert wird und natürlich auch durch die Möglichkeit, sich einen Bart stehen zu lassen.“ Der Bart als Symbol für pure Männlichkeit, das kann man durchaus so stehen lassen. Ironie des Schicksals, dass dieser Trend genau jetzt ins Leben gerufen wurde.

Daniel, 22, Lehramtstudent ,hat eine ganz klare Vorstellung von Männlichkeit: „Ich glaube, dass sich viele Frauen doch noch nach diesem traditionellem Bild des starken Mannes sehnen. Insgeheim wollen sie in einigen Lebenslagen von einem Mann dominiert werden. Ich persönlich stehe selbst auch auf Männer und kann sagen, dass Selbstbestimmtheit, Geradlinigkeit und rationales Denken Qualifikationen sind, die ich von einem Mann erwarte.“

Tendieren die Männer der Gen-Y also doch eher zum traditionellen Männerbild? – Nein, sagt Marcus, 28, aus München: „Ich finde, wir sollten uns ein Beispiel an den skandinavischen Ländern nehmen. Dort ist es regelmäßig so, dass auch männliche Elternteile zu Hause bleiben und die Kinder versorgen. Ein zeitgemäßer Ansatz, wie ich finde.“ Auch Simon, 20, BWL-Student, findet, dass das traditionelle Männerbild längst überholt ist: „Für mich wirken zwar typische Attribute wie Größe, Muskeln und Gesichtsbehaarung immer noch sehr männlich, jedoch sind es auch keine zwingenden Eigenschaften, die man haben muss, um als männlich zu gelten. Männlichkeit und Weiblichkeit vermischen sich immer mehr, denn Selbstbewusstsein, Zielstrebigkeit und einen eigene Persönlichkeit sind für mich Eigenschaften, die eine Frau ebenfalls aufweisen sollte. Trotzdem muss ich zugeben, dass ein eher femininer Mann gleichzeitig weniger männlich für mich ist – sehr konfus das Ganze.“

Simon bringt wohl diese Orientierungslosigkeit unsere Männer nochmal auf den Punkt. Es dauert wohl noch ein Weilchen, bis sich die Burschen so wirklich gefunden haben.

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Bildquelle: Joshua Munoz unter CC0 Lizenz