Marie Kondo

Marie Kondo und die große Frage: Does it spark Sinn?

Does it spark Sinn?

Aber dann ist da eben auch die Kehrseite und diese unterschwellige, in Zuckerwatte gepackte Botschaft: Du musst nur mal ein bisschen aufräumen und richtig zusammenlegen, dann klappt’s auch mit dem Rest. Wie schön, ab jetzt lassen sich also all unsere Probleme mit einem geordneten Gewürzschränkchen lösen. Leider ist die Realität aber nicht ganz so fluffig, wie es uns hier eingebläut wird. Eine aufgeräumte Wohnung verändert nicht das ganze Leben – und sie rettet auch nicht die eingeschlafene Beziehung zum Partner. Mal ganz abgesehen davon: Wie soll diese life-changing method irgendwann mal mit Kindern aussehen? Muss alles immer so penibel aufgeräumt sein, wenn man nebenbei auch einfach ein bisschen leben will? Und braucht man wirklich schön ordentlich drapierte BHs, weil sie ja (O-Ton Miss Marie) so very important for women sind und deswegen ein VIP treatment bekommen müssen? Ah ja …

Und dann ist da auch noch diese Widersprüchlichkeit. Da kommt also Marie und erklärt, dass die Dinge, die keine Freude versprühen, weg sollen. Was ich prinzipiell nicht falsch finde, denn wer umgibt sich schon gerne mit Objekten (und auch Subjekten), die einem auf den Keks gehen? Schwierig wird es allerdings, wenn man plötzlich nach dem Ausmisten keine Socken mehr im Schrank hat oder sein Hab und Gut einfach nicht mit Emotionen verknüpft, weil Funktionalität in den meisten Fällen über Ekstase geht – und der Geldbeutel auch noch ein Wörtchen mitzureden hat. Fragwürdig ist auch Maries Leidenschaft für Boxen und Schächtelchen jeglicher Art, die optisch für Ordnung sorgen sollen. Da wirft man also drei Töpfe und fünf T-Shirts weg, nur um das Zehnfache an Aufbewahrungs-Firlefanz zu besorgen. Na dann – es lebe die Schuhkarton-Wirtschaft!

Marie Kondo

Zum anderen ist da diese erwachsene Geschäftsfrau, die in manchen Momenten wie ein kleines Mädchen wirkt, das kichert, hüpft, aufgeregt sagt, wie sehr sie das Chaos liiiiebt – nur um im nächsten Moment vollkommen unnahbar und oberflächlich zu erscheinen. Das passiert zum Beispiel, wenn ihre Dolmetscherin ihr den Regenschirm oder die vollen Taschen hinterhertragen muss. Die Dolmetscherin braucht Marie übrigens, weil sie zwar schon ein paar Jährchen in den USA lebt, es aber meistens über ein floskelhaftes how are youuu und goooood nicht hinausgeht. Überhaupt fragt man sich manchmal, wie echt sie wirklich ist. Nicht nur die Beziehung zu ihren materiellen Pflegefällen ist oberflächlich, auch bei Marie selbst sucht man Nähe und Persönlichkeit vergeblich. Da können auch die praktischen Tipps aus ihrem Privatleben und die Einspieler mit ihren (sich mit Filzstiften bekritzelnden) Töchtern keine Abhilfe schaffen.

Universelle Zufriedenheitsgarantie, Maries kurz gehaltene Präsenz bei der eigentlichen Aktion, die Emotionslosigkeit im zwischenmenschlichen Bereich – die Serie kratzt trotz gutem Minimalismus-Gedanken eben nur an der Oberfläche. Wenn man allerdings ein wenig tiefer gräbt und vor lauter Raumduft nicht in Ohnmacht fällt, dann entdeckt man bei Marie Kondo auch etwas, das tatsächlich life-changing ist: nämlich dass sich mit der richtigen Falttechnik für Schlüpper Millionen verdienen lässt.

 

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Bilder: Netflix