Mann der seine Hand mit der Aufschrift "Help" vors Gesicht hält

Sind Narzisst*innen kaltherzige Monster?

Gratwanderung: Wie geht man mit Narzisst*innen um?

In erster Linie sollten Narzisst*innen natürlich selbst mit ihrer Störung umgehen. Narzissmus ist zwar nicht heilbar, aber immerhin therapierbar – dabei zielt die Therapie auf die Entwicklung von Einfühlungsvermögen ab.

Allerdings ist es auch für alle anderen Beteiligten wichtig zu wissen, wie man sich am besten verhält, wenn man Kontakt zu einem narzisstischen Menschen hat. Denn manchmal ist der Umgang mit Narzisst*innen unvermeidlich: Beispielsweise, wenn es sich um eine*n Dozent*in, eine*n Chef*in oder eine andere Person handelt, mit der man zwangsläufig viel zu tun hat. Im schulischen oder beruflichen Umfeld kann man sich häufig nicht aussuchen, von welchen Menschen man umgeben ist. Und auch im privaten Umfeld ist die Entscheidungsfreiheit begrenzt: Familienmitglieder kann man nicht frei wählen. Und was die Menschen angeht, die man sich tatsächlich aussuchen kann: Natürlich kann man darauf achten, sich nicht unbedingt narzisstische Freund*innen oder Partner*innen zu suchen. Ob das gelingt, ist aber die andere Frage. Denn ein Merkmal von Narzisst*innen besteht schließlich darin, dass sie anfangs oft sehr charmant und attraktiv wirken. Wie beim Wolf im Schafspelz entpuppt sich ein*e Narzisst*in häufig erst viel später als solche*r. Und egal, ob es sich um Freund*innen, Partner*innen oder Familienmitglieder handelt: Wenn wir bei einer Person aus unserem privaten Umfeld eine solche Veranlagung erkennen, dann ist diese Person für uns meist nicht in erster Linie ein*e Narzisst*in, sondern jemand, den wir doch irgendwie lieben oder zumindest gernhaben.

Genau das macht es so schwer, uns von diesen Menschen zu lösen. Ratgeber zum Umgang mit Narzisst*innen fordern uns dazu auf, betreffende Personen aus unserem Leben zu streichen. Das ist absolut verständlich und vermutlich genau das, was man tun sollte, um sich selbst zu schützen. Es ist aber nicht nur leichter gesagt als getan, sondern auch ein Gewissenskonflikt: Schließlich sind auch Narzisst*innen nicht mutwillig bösartig. Darum ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass es sich bei Narzissmus immer noch um eine psychische Störung handelt, die man sich genauso wenig aussuchen kann wie eine Depression oder eine Angststörung. Anstatt Narzisst*innen also als das personifizierte Böse darzustellen, ist es vor allem essentiell, psychische Störungen im Allgemeinen durch Aufklärungsarbeit und Therapiemöglichkeiten zu entstigmatisieren.

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Bildquelle: RODNAE Productions on Pexels; CCO-Lizenz