Warum man nie im Streit auseinandergehen sollte
Dann hatten wir einen Streit über ein Thema, das eigentlich absolut keinen Streit wert war. Und erst recht keinen, den man nicht hätte klären können. Aber wir haben es trotzdem nie getan. Stattdessen haben wir einfach nie wieder ein Wort miteinander gewechselt. Wenn wir uns zufällig in der Stadt begegnet sind – was in den ganzen Jahren nur selten vorkam – haben wir uns ignoriert. Insgeheim habe ich wahrscheinlich gehofft, dass wir uns irgendwann noch einmal aussprechen können. Aber ich war zu stolz, um einen Schritt auf sie zuzugehen.
Und jetzt habe ich nie wieder die Chance, das zu tun. Denn meine ehemalige Freundin ist mittlerweile gestorben, und ich habe es über die Todesanzeige in der Zeitung erfahren.
Selbst jetzt fehlen mir die Worte, wenn ich darüber nachdenke. Ich schäme mich so dafür, dass ich nie versucht habe, unseren Konflikt aus dem Weg zu räumen. Wie konnte mir mein dummes Ego wichtiger sein als die Freundin, die ich verloren hatte?
Das ist unentschuldbar. Das Einzige, was mir bleibt, ist, aus jenem Ereignis und jener Erfahrung etwas für mein zukünftiges Leben mitzunehmen und zu einer besseren Version von mir zu werden. Und obwohl es, wenn überhaupt, ein verdammt schwacher Trost ist: Die Lehre aus dieser Geschichte besteht darin, dass die Sprüche unserer Eltern und Großeltern à la „Kind, geh bloß niemals im Streit mit jemandem auseinander“ nicht nur inhaltsleere Floskeln sind, sondern viel zu plötzlich zu Sätzen werden können, die sich im Kopf in Endlosschleife wiederholen, wenn es zu spät ist.
Und dass man aus genau diesem Grund tatsächlich nie im Streit auseinandergehen sollte.
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Bildquelle: RF._.studio on Pexels; CC0-Lizenz