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Resting Bitch Face: Nein, ich bin gerade nicht schlecht gelaunt!

Den Preis für die dämlichsten Anmachsprüche in meinem Freundeskreis bekam regelmäßig ich. Wurden meine Teenie-Freundinnen damals auf ihr hübsches Lächeln oder ihre schönen Augen angesprochen, so war es bei mir immer das gleiche Thema: Meine vermeintlich schlechte Laune. Die störte andere beim Feiern oder wurde von Stockbetrunkenen als Aufforderung genutzt, mein Leben jetzt und hier durch ein paar Drinks wieder in Ordnung zu bringen.

Das Schlimmste daran: Den „Du siehst so traurig aus, darf ich dich aufmuntern?“-Spruch bekam ich ausschließlich an Abenden, an denen ich bestens gelaunt war. Meine Theorie dahinter: An allen Abenden, an denen ich mich nur durchschnittlich gut gelaunt fühlte, wagte niemand, mich überhaupt anzusprechen. Heute sind es eher Kollegen oder Freunde, die mich fragen, ob mir etwas passiert ist. Zum Beispiel, während ich konzentriert an etwas arbeite oder mir einen Kaffee mache.

Ja, ich habe einen ernsten Gesichtsausdruck. Und nein, das bedeutet nicht, dass es mir gerade nicht gut geht, dass ich traurig bin, wütend oder depressiv. Ich lächle mich einfach nicht beständig durch den Tag. Ich bin keine Grinsekatze. Ich schaue einfach nur neutral. Und ich will damit niemandem die Laune verderben. Ich tue das nicht mit Absicht.

Das Resting Bitch Face – Bitte was!?

Erst vor Kurzem habe ich erfahren, dass es für meinen Gesichtsausdruck einen Fachausdruck gibt: Ich bin eine Resting-Bitch-Face-Trägerin. Ja herzlichen Dank dafür. Nicht nur, dass ich ständig aus heiterem Himmel auf meine üble Laune angesprochen werde. Nein, jetzt soll ich mich auch noch als Zicken-Gesicht-Besitzerin betiteln lassen? Geht es noch etwas schmeichelhafter?

Immerhin hält dieser Begriff fest, dass die Betroffenen den Gesichtsausdruck nicht willentlich zur Schau tragen, sondern dass ihre Gesichtszüge im neutralen Zustand zickenhaft wirken. Mag der Name auch witzig gemeint sein, zeigt er doch, dass die Gesellschaft vor allem von Frauen ein nettes Lächeln erwartet. Und weil das Phänomen vor allem Promis zugeordnet wird, einem kleinen Grüppchen unserer Gesellschaft, die es gewohnt sind ununterbrochen gut drauf zu sein, geht schnell unter, dass es auch unter uns „Normalsterblichen“ gesellschaftliche Bereiche gibt, in denen Ernst völlig fehl am Platz zu sein scheint und die Umgebung total irritiert.

Immer nett lächeln? Ohne uns!

Treffe ich meine Familie an Weihnachten oder zu Geburtstagen, dann sitzen noch mindestens sechs andere RBF-Träger mit mir am Tisch: Mein Vater und seine Brüder, meine Schwester, meine Cousine und mein Cousin. Mit höchst ernstem Gesichtsausdruck studieren wir die Speisekarte und geben unsere Bestellung ab, toternst der Blick, wenn wir quer durch das Restaurant zur Toilette gehen. Wie müssen wir auf andere Gäste wirken?

Glücklicherweise sind wir, sobald wir miteinander sprechen, sehr aufgeschlossene, vergnügte Menschen, deren Augen vor Begeisterung strahlen können und die sich auch mal gemeinsam kaputtlachen. Nach ein paar Bierchen sind wir uns einig: Das Leben ist kein Zuckerschlecken. Und nur wer dies erfasst hat und durch einen angemessenen Blick zum Ausdruck bringt, der kann die guten Seiten auch ordnungsgemäß würdigen. Dauergegrinse, nein Danke, ohne uns.

Und der Nächste, der von mir erwartet, dass ich am Montagmorgen entspannt lächelnd meinen Kaffee mache, dem werde ich einen Vortrag halten über Geschlechterrollen, den Ernst des Lebens und einfach alles, was mich in die Stimmung bringt, die mein Gesichtsausdruck nach außen trägt.

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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz