Meditation Selbstversuch Ruhe Natur Entspannung

Meditation – was steckt hinter dem Hype? Ein Selbstversuch.

Am liebsten möchte ich mein Handy gegen die Wand schmeißen. Ich liege krank in einem Bett, das noch nicht einmal mein eigenes ist, und eigentlich noch nicht mal ein Bett, sondern eine Schlafcouch im Zimmer meiner kleinen Schwester. Und hier soll ich jetzt meditieren? Mein Handy will das so. Aber ich nicht. Krank und umgeben von Geschrei, Getrampel im Flur und einer Mama, die gleich zum Essen rufen wird. Nein, in diesem Moment kann ich nicht zur Ruhe kommen. Auch wenn es in den lautesten Momenten wahrscheinlich am sinnvollsten wäre.

Vier Tage vorher: Ich beschließe, einen Selbstversuch zu starten, in dem ich eine Woche lang täglich mit der 7Mind-App meditiere. Echt jetzt, meditieren? Yes, auch ich habe mich dem Trend angeschlossen. Aber natürlich – ganz die investigative, kritische Journalistin – mit Skepsis. Der ganze Achtsamkeitshype löst bei vielen inzwischen Augenrollen und Brechreiz aus – wie eben alles, was zum Hype wird. Wenn viele auf einer Welle mitschwimmen, die sich nicht auskennen und dann andere mit Halbwissen und falscher Euphorie bekehren wollen, ist die Welle schnell verhasst. Aber ich will mir selbst eine Meinung bilden, bevor ich mitschwimme oder hate.

Wie funktioniert die App?

Die App verspricht mir kostenlose, geleitete Meditationen für Anfänger, die sich mit einer Länge von 7 Minuten in jeden Alltag integrieren lassen sollten. Kostenlos, Anfänger, wenig Zeit – das schreit nach Download. Die Bedienung der App ist einfach. Auf der Startseite wird mir die Meditation angezeigt, die heute dran ist. In meinem Profil wird dokumentiert, wie viele Minuten und Tage ich bereits meditiert habe. Das Gute: Ich kann mir die Meditationen auch herunterladen, um sie überall, jederzeit abspielen zu können. Die Erinnerung für die erste Meditation ist eingestellt: Nach der Arbeit geht es los.

Worauf kommt es beim Meditieren an?

Meditation ist in erster Linie Atmen und Wahrnehmen. Das lerne ich gleich am ersten Tag. Ich liege auf meinem Bett und mache es mir gemütlich. So wie es mir von der angenehmen, männlichen Stimme gesagt wird. Denn es muss nicht die typische Buddha-Sitzhaltung sein. Worum es beim Meditieren auf keinen Fall geht, ist das Müssen. Ich muss keine besonders tolle Yoga-Leggings tragen oder mich verrenken. Alles nur Klischees. Es geht ums Wohlfühlen und Zulassen. Und Atmen. Bis jetzt ist es einfach. Aber nicht lange, denn ich tappe gleich in die erste Falle. Ich drifte mit meinen Gedanken vollkommen ab, merke das und ärgere mich dann über mich selbst, dass ich es nicht schaffe. Genau da liegt der Punkt, wie mir die Stimme gleich erzählt, als hätte sie meinen verschobenen Gedankengang mitgehört. Alles darf sein. Alle Gedanken, alle Gefühle dürfen sein. Ich soll sie wahrnehmen und weiterziehen lassen. Also stelle ich mir meine Gedanken wie Wolken vor und es klappt. Noch besser gefällt mir allerdings der nächste Satz, bei dem ich mich sofort in das Meditieren verliebe: Du musst nichts tun. Wow! Ich will sofort auf der Welle mitschwimmen und nie mehr etwas anderes tun als nichts.

Wann meditiere ich am besten?

Ich bin mir noch nicht sicher, was mir besser gefällt: abends oder morgens meditieren? Ich stelle fest, dass mir morgens viel mehr Gedanken im Kopf herumschwirren als sowieso schon. Welchen Bus muss ich nehmen? Habe ich noch eine gute Idee für den Artikel? Was esse ich heute Mittag? Da ist schon diese Grundanspannung, die ich bis jetzt nie wahrgenommen habe. Sie zieht sich bis in meinen Rücken, sodass ich nicht ruhig sitzen kann, weil ich mich die ganze Zeit hin und her dehnen möchte. Auch das fällt mir zum ersten Mal auf. Ich erfahre, dass Meditation der – gefühlt einzige – Platz ist, wo Leistung und Erfolg nicht zählen. Dieser Gedanke beruhigt mich wiederum. Und überzeugt mich davon, mir weiterhin morgens einen Wecker zu stellen.

Welche Wirkung hat Meditation wirklich?

Ich lese, dass Meditationen Stress abbauen, Konzentration fördern, beim Umgang mit Ängsten helfen, gesund und natürlich glücklich machen sollen. Was spüre ich davon bis jetzt? Nicht viel. Und das ist schwierig für einen ungeduldigen Menschen wie mich. In der nächsten Runde geht es darum, meine Gedanken und Gefühle anzuschauen, aber nicht zu bewerten. Auf diese zwei Sekunden zwischen Wahrnehmen und Beurteilen kommt es an. Denn da ist Platz für die Entscheidung, wie ich auf eine Situation reagieren will. So viel in der Theorie.

Und als würde ich nicht sowieso schon zweifeln, kommt das heftige Down zuhause bei der Familie. Gesünder bin ich definitiv nicht, dafür umso gestresster. Bevor ich mein Handy aber tatsächlich schrotte, merke ich, dass ich negativ bewerte. Ich könnte nämlich auch anders auf Chillen im Bett und gekochtes Essen auf dem Tisch reagieren. Und schon bin ich wieder im Game. Denn Erkenntnis ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Am nächsten Tag schaffe ich es, mir einen stillen Ort zu sichern, weil ich auf mein Bedürfnis nach Ruhe Rücksicht nehme. Ein weiterer Step forward.

Mir geht es öfter so, dass mir im Außen alles zu viel wird. Mein Kopf dreht dann durch und ich bin super angespannt. In der Meditation lerne ich, dass meine körperliche Mitte mein stabiler Punkt in überfordernden Situationen sein kann. Ich kann mich nach innen wenden und dort meine ganz eigene Ruhe finden. Diesen Raum habe ich immer dabei, egal, was um mich herum passiert. Beim Abendessen mit der Familie geht eine große Diskussion los, in der sich meine Schwester offensichtlich angegriffen fühlt. Ungerechtigkeiten, Streit und Geschrei kann ich normalerweise nicht gut aushalten, aber jetzt erinnere ich mich an die Meditation, atme ein paar Mal in den Bauch und bleibe automatisch ruhig.

Will ich weitermachen?

Unbedingt. Nach sieben Tagen möchte ich mein Handy nicht mehr an die Wand schmeißen. Denn ohne es könnte ich nicht weitermachen. Und das will ich. Ich will wissen, was ich noch lernen kann, wenn ich in nur einer Woche schon so viele Erkenntnisse hatte. Ich weiß jetzt, dass ich in mir Ruhe finden kann, wenn mir alles zu viel wird. Ich kann mich jetzt konzentrieren und Gedanken weiterziehen lassen. Ich kann mit der Bewertung von Situationen und Gefühlen warten und mich aktiv entscheiden. Ich kann einfach nur wahrnehmen. Und 7 Minuten gehen immer. Also Leute, ich schwimm dann mal mit.