stellungswechsel

Stellungswechsel: Warum es total okay ist, ab und zu mit der besten Freundin zu knutschen!

Sex und Feminismus, das passt nicht zusammen? Doch, wie unsere Kolumne „Stellungswechsel“ beweist. Nadine Kroll befasst sich mit den Fragen, die junge Menschen und speziell Frauen, die gerade ihre Sexualität entdecken, ganz besonders beschäftigen. Es geht um gesellschaftlichen Wandel, Selbstbestimmtheit, neugewonnene Freiheiten, Frauenrechte und natürlich ums Ficken, kurz: um sexpositiven Feminismus und darum, dass sich niemand für seinen Körper oder seine Vorlieben schämen muss.

Junge Frauen machen ihre ersten gleichgeschlechtlichen Erfahrungen häufig mit der besten Freundin – ob aus reiner Neugier, auf Druck von außen hin oder unter Alkoholeinfluss auf Partys.

Nicht selten werden sie dafür von ihrem Umfeld verurteilt. Heterosexuelle Menschen beschimpfen diese jungen Frauen mit Vorliebe in abwertendem Ton als „Lesben“, während aus den Reihen der selbsternannten „echten Lesben“ der Vorwurf kommt, dass sich besagte Frauen mit ihren lesbischen Zärtlichkeiten nur um die Aufmerksamkeit von Männern buhlen.

Gleichgeschlechtliche Erfahrungen und Alkohol

Beide Vorurteile sind für Frauen, die mit Frauen knutschen, absolut schädlich. Das Gleiche gilt übrigens für Männer, die ab und an mit anderen Männern rummachen, ohne sich selbst als „out and proud bisexuals“ zu erkennen geben. Fakt ist, dass die ersten gleichgeschlechtlichen Erfahrungen oft in Situationen gemacht werden, in denen Alkohol im Spiel ist. Das hängt ganz einfach damit zusammen, dass alkoholische Getränke enthemmend wirken. Nicht nur in Bezug auf die eigene Sexualität, sondern vor allem auch in der Hinsicht, dass es einem selbst schlichtweg egaler wird, was andere Menschen zu gleichgeschlechtlichen Küssen und Fummeleien sagen.

Fakt ist auch, dass es oft Männer sind, die junge Frauen dazu anstacheln, miteinander rumzumachen. Weil sie es permanent in Pornos sehen und eben irgendwie geil finden. Wenn also Mädchen und Frauen an der Schwelle zum Erwachsenwerden darauf eingehen, ist das zwar problematisch, sollte aber keinesfalls den knutschenden Mädels zum Vorwurf gemacht werden, sondern den Männern, die sie dazu gedrängt haben, sich in aller Öffentlichkeit zu küssen.

Homophobie und Frauenhass

Natürlich geht es in einem solchen Fall darum, die Aufmerksamkeit und vor allem Gunst von den grölenden und anfeuernden Männern zu erhaschen oder nicht zu verlieren. Nicht selten jedoch führen genau solche Situationen auch dazu, dass Mädchen und junge Frauen, die sich in ihrer Sexualität bisher nicht ganz sicher waren, feststellen, dass sie sich eher zum gleichen Geschlecht – oder auch beiden Geschlechter des binären Systems – hingezogen fühlen. Und solche Erfahrungen zu verurteilen und mit Scham zu behaften ist vor allen Dingen eines: homophob.

Generell haben es Frauen, die gleichgeschlechtliche Erfahrungen machen, etwas schwerer als schwule oder bisexuelle Männer. Die uns allen innewohnende und seit Generationen fest verankerte Misogynie sorgt dafür, dass Frauen, die mit Frauen rummachen, sich seit jeher für ihre miteinander ausgetauschten Zärtlichkeiten rechtfertigen müssen. Männer, die sich offen als schwul zu erkennen geben, werden ohne Frage homophob behandelt, also ausgeschlossen, verurteilt und aufgrund ihrer sexuellen Orientierung immer wieder angegriffen. Bei Frauen hingegen kommt zur Homophobie auch noch der Frauenhass hinzu. Und das leider allzu oft aus den eigenen Reihen. Denn Frauen wird die Lust auf Frauen nur allzu oft von anderen Frauen abgesprochen und als Schrei nach Aufmerksamkeit dargestellt. Als Schrei nach Aufmerksamkeit von Männern, von Eltern, von der Gesellschaft – aber niemals als Lust, sich einfach mal auszuprobieren und eventuellen Vorlieben nachzugehen.