Gehörte Töne, die einen Geschmack erzeugen? Bei Synästhesie keine Seltenheit. Bild: Pexels

Synästhesie: Wie schmeckt eigentlich Musik?

Aber lest selbst!

Rahel: Hallo Denise, erstmal vielen lieben Dank für deine Hilfe! Ich habe in den letzten Tagen sehr viel zur Synästhesie gelesen und glaube trotzdem, es immer noch nicht zu 100% zu verstehen. Mir kommt es häufig vor, als würde mir da jemand einen Sinn erklären, den ich gar nicht habe. Weißt du, woher deine Synästhesie stammt?

Denise: Hey, kein Problem. In meiner Familie bin ich die Einzige mit Synästhesie. Ich weiß von anderen Fällen, wo im engeren Familienkreis mindestens ein weiterer Synästhet ist, aber bei mir ist dies nicht der Fall. Ich denke, dass es eher Zufall ist, ob man es bekommt oder nicht.

Rahel: Wann hast du das erste Mal gemerkt, dass du Synästhetin bist? Weißt du noch, wie die Situation für dich war und wie dein Umfeld reagiert hat?

Denise: Seit ich denken kann, bin ich Synästhetin. Ich erinnere mich noch sehr gut an einzelne Momente aus meiner Kindergartenzeit, die für mich als Kind sehr verwirrend waren (und wahrscheinlich auch für meine Erzieherinnen). Ich nehme unter anderem Formen als Farben wahr. Das Dreieck ist dann beispielsweise grün. Wenn ich im Kindergarten ein Dreieck rot ausmalen musste, hatte ich große Probleme damit. Damals konnte ich auch nicht verstehen, wie die Erzieherinnen so etwas von mir verlangen konnten. Für mich war ein rotes Dreieck einfach falsch und um ehrlich zu sein, finde ich den Anblick bis heute auch noch etwas befremdlich.

Mein Umfeld hat meine Synästhesie nie wirklich hinterfragt. Jahrelang war aber auch niemandem bewusst, dass es das überhaupt gibt. Ich glaube, sie dachten einfach, ich sei etwas seltsam.

Rahel: Ohje, ich kann mir vorstellen, dass das als Kind ganz schön verwirrend gewesen sein muss. Also, du nimmst Formen mit bestimmten Farben wahr. Wie stellt sich die Synästhesie ansonsten bei dir dar?

Denise: Ich habe ich eine kognitive Synästhesie. Ich sehe verschiedenste Dinge als Zahlen. Dazu gehören unter anderem Zahlen, Buchstaben und Formen. Seit ich denken kann, war diese Farbzuteilung auch immer identisch. Bei mir ist zum Beispiel die Eins weiß, die Zwei gelb, die Drei grün, die Vier blau und die Fünf orange. Eine Dreizehn wäre demnach der Farbcode weiß und grün.

Rahel: Das ist ja spannend! Gibt es denn unterschiedliche Arten von Synästhesie?

Denise: Es gibt sehr viele unterschiedliche Formen. Viele Synästhet*innen schmecken beispielsweise Musik oder sehen sie als Farben. Das habe ich gar nicht.

Rahel: Man muss ja auch nicht alles haben. Glaubst du denn, dass die Synästhesie auch Vorteile für dich hat? Im Alltag beispielsweise?

Denise: Das ist wirklich schwer zu beantworten. Ich würde sagen Ja und Nein. Bleiben wir beim Beispiel der Zahlen. Die meisten Daten oder kurzen Zahlenkombinationen kann ich mir gut merken, weil sie in meinem Gehirn eben immer als Farbcodes hinterlegt sind. Ich sehe die Zahlen also nicht mehr vor mir. Hat jemand also am 22. Geburtstag, weiß ich ‚ah gelb‘ und kann mir das Datum herleiten. Die 3, 6 und 9 haben jedoch den gleichen Grünton. Bei diesen Zahlen habe ich also Probleme. Ich sehe die Weiß- und Grün-Kombination vor mir, weiß in vielen Fällen aber nicht mehr, ob es der 13., 16. oder 19. war. Deswegen schreibe ich alles, was mit Zahlen zu tun hat, lieber auf. Bei Buchstaben habe ich da weniger Probleme, aber dort sind die Farben auch etwas nuancierter.

Wirklich „nützlich“ ist die Synästhesie in meinem Fall eigentlich nicht, aber sie gehört zu mir und ich kann es mir ohne gar nicht vorstellen.

Rahel: Wow, das klingt für mich erstmal ziemlich überwältigend. Kennst du denn andere Menschen, die Synästhet*innen sind? Ich kann mir vorstellen, dass es manchmal hilfreich sein kann, zu wissen, dass man nicht alleine ist.