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Unheilbar single: Wie es ist, noch nie in einer Beziehung gewesen zu sein

„Du hattest echt noch nie ’nen Freund, was läuft denn bei dir falsch?“ spricht mich eine alte Freundin hochgradig einfühlsam auf meinen Beziehungsstatus an, der seit meinem 23-jährigen Bestehen derselbe ist: Single. Ich könnte jetzt schmerzhaft-scherzhaft entgegnen, dass ich doch schon seit 17 Jahren in einer Beziehung bin. Schließlich hat mich damals, als ich 6 war, ein Junge mit Vokuhila auf dem McDonalds-Spielplatz gefragt, ob ich seine Freundin sein möchte und ich habe eingewilligt. Ich wollte ihn wegen seiner komischen Frisur nicht zurückweisen. Aber faktisch macht mich ihre Reaktion wütend. Was maßt sie sich an, zu behaupten, dass bei mir etwas falsch läuft? Bin ich eine gesellschaftlich Inkompatible, die ohne ihre ‚bessere’ Hälfte nur halb so viel wert ist, weil sie noch nie in einer Beziehung war?

It’s not a match!

Natürlich könnte man jetzt sagen, sie habe Recht und meine Reaktion gleiche der eines getroffenen Hundes. Das stimmt ja auch. Lange habe ich mich gewundert, warum ich es denn nicht hinbekomme einen festen Partner zu finden. Zwar habe ich schon mal ein paar potentielle Kandidaten über mehrere Monate gedated und war wahnsinnig verschossen, aber letztlich hat es nie zu einer „richtigen“ Beziehung nach traditionellem Verständnis gereicht. Mal war es die Distanz, mal knallten dann doch zu unterschiedliche Wertvorstellungen aufeinander und mal war da eben noch eine andere Frau. Dann erschien mir dieser ganze Liebeskram wie reinstes Hexenwerk, das nur gelingt, wenn ich zum fünften Vollmond des Jahres auf den höchsten Turm der Stadt klettere und sämtliche James Blunt Lieder rückwärts singe.

Ich bin single und das ist gut so

Aber irgendwann hörte ich auf, mich in Selbstmitleid zu suhlen und begann, selbstbewusst mit der Problematik umzugehen: Bisher war eben noch nie jemand in mein Leben getreten oder geblieben, der mich so richtig vom Hocker haute. Und das war okay. Ich wollte nicht mehr von dem fleischgewordenen, riesig aufgeblasenen und schier übermächtigen Pauschalurteil „ Du bist ewiger Single und irgendwas stimmt nicht mit dir!“ in die nächste verzweifelte Datingphase getrieben werden, nur, um auf Facebook endlich „in einer Beziehung“ angeben zu können. Wenn mir jemand einen Korb gab oder mein Bauchgefühl heulte, akzeptierte ich das. Dann passten unsere Puzzleteile eben nicht zusammen. Und selbst als „gesellschaftliches Rand-Puzzlestück“ wurde mir bewusst, dass es sehr wohl andere Puzzleteile gibt, die gut zu mir passen und mit denen ein wunderschönes Bild kreiert werden kann. Ich war zufrieden mit der Welt und mit mir und dazu brauchte es keinen Kerl.

Viel eher stellte ich mir die Frage, wie Menschen auf die Idee kämen, dass ewiges Singlesein ein Ausdruck sozialer Unvollkommenheit ist und von Versagen zeugt. Warum kann man denn nicht alleine glücklich sein? Warum wird denn eine lebende Bestätigung in Form eines Partners gebraucht, der allen offensichtlich bescheinigt: Diese Person ist in Ordnung und wurde mit dem Gütesiegel Beziehung versehen? So lange man zufrieden ist und sich des Lebens freut, ist doch alles in Butter, auch ohne Butterei.

„Wir tun so, als dürfe es Alleinsein nicht geben“

Das größte Problem bestehe eigentlich darin, dass das Alleinsein einen schlechten Ruf habe, sagt die Autorin Franziska Muri im Interview mit der Neuen Ruhr Zeitung. „In einer Zeit, in der Beziehungen von immer kürzerer Dauer sind und jeder Fünfte allein lebt, in der sich laut Umfragen nur 30 Prozent der Menschen niemals einsam fühlen, tun wir so, als dürfe es das alles überhaupt nicht geben“, sagt sie.

Dabei sind diese Erfahrungen ein Teil des Lebens, die Menschen sogar dabei unterstützen können, sich zu entwickeln, mehr Lebens- und Selbstliebe zu empfinden und eigenständiger zu werden. Auch gibt es laut Muri viele Leute, die sozial gut eingebunden und trotzdem gern allein sind. Dazu würden vor allem Introvertierte und Hochsensible, die schnell von vielen Reizen überflutet werden, zählen. 

Ihrer Meinung schließt sich auch der Paartherapeut Wolf Kirchmann an. Die Begriffe Alleinsein und Einsamkeit trennt er klar voneinander, schließlich sei ersteres eine bloße Zustandsbeschreibung, während letzteres ein inneres Gefühl beschreibe. Dennoch stellt das Lernen, allein glücklich zu sein, für den Therapeuten eine der großen Lebensaufgaben dar, die uns in vielen Bereichen des Lebens begegne. „Wenn uns das gelingt und dazu noch eine erfüllende Partnerschaft kommt, ist das wunderbar. Wenn wir aber die Partnerschaft brauchen, um ein Loch zu stopfen, ist eine Enttäuschung vorprogrammiert„, sagt er.

Und was sollte das für eine Partnerschaft werden, in der der eine nur die Rolle des Lückenbüßers spielt und der andere partout sich allein nicht aushält? Da bleibe ich in Erwartung der Erfüllung erst mal weiter allein. Bis mich wieder jemand auf einer McDonalds-Rutsche fragt, ob ich seine Freundin sein möchte.

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Bildquelle: Jennifer Regnier unter CC0 Lizenz