Leben wir bald in den vereinigten Staaten von Europa?

Doch wäre all das überhaupt möglich? Kritiker verweisen oft auf die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG, aus der das Bundesverfassungsgericht Bestandsschutz für eine souveräne Bundesrepublik Deutschland ableitet. Diese Souveränität wäre in einem europäischen Staat so nicht mehr gegeben. Auch in den Bevölkerungen ist der Zuspruch eher niedrig. Nach Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Yougov sind in Deutschland und Frankreich knapp ein Drittel der Bevölkerung für die Idee, in den meisten anderen Ländern ist der Zuspruch jedoch deutlich geringer. All das ist zwar nicht in Stein gemeißelt – das Grundgesetz kann geändert werden, und das Bild der EU in den Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten kann auch wieder besser werden – in naher Zukunft ist aber wohl nicht mit einer Verwirklichung der Idee zu rechnen. Mehr und engere Zusammenarbeit wird zwar von sehr vielen EU-Politikern befürwortet und anvisiert, diese wird aber vermutlich vorerst weiterhin im Rahmen eines losen Staatenverbunds stattfinden. Ein vereintes Europa, das wirklich handlungsfähig ist und dessen Strukturen auch ohne Gemeinschaftskunde-Leistungskurs für alle durchschaubar sind, wird wohl bis auf weiteres ein Traum bzw. Albtraum bleiben. 

Doch dass angesichts der weiter voranschreitenden Globalisierung – man mag von ihr halten, was man möchte – Krisen gemeinschaftlich angegangen werden und die dafür notwendigen Strukturen geschaffen werden müssen, ist offensichtlich. 

Was die entgegengesetzte Zukunftsvision, nämlich die Abschottung der Nationalstaaten, bedeuten würde, kann ich mir kaum noch vorstellen: Den Klimawandel nur auf nationaler Ebene bekämpfen? Bei einem Ausflug ins Elsass in Grenzkontrollen feststecken? 

Vielleicht verdient der europäische Föderalstaat doch eine nähere und ernsthaftere Betrachtung durch die Politik und vor allem durch uns alle. Schließlich hätte noch vor einigen Jahrzehnten die EU, wie sie heute besteht, auch kaum jemand für möglich gehalten. 

Auch spannend:

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Christian Lue von Unsplash unter CC0-Lizenz