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Wie ein Survival-Training unsere Männerfreundschaft veränderte

Plötzlich reden wir

 

Wir kriechen irgendwann ins Zelt, als das Feuer gelöscht ist und der Rauch sich mit der Nacht vermischt. Ich hatte noch vorgeschlagen, dass Feuer auszupinkeln. Hatte ich ewig nicht mehr gemacht und hatte ich immer großartig gefunden als Kind. „Ich muss nicht“, nuschelte Adri. Also liegen wir da, während es draußen plötzlich nicht mehr totenstill ist, sondern es knackt, rauscht und rumort. Urplötzlich durchschneidet Adris leise Stimme die Stille und er entschuldigt sich, dass er so schlecht gelaunt war den ganzen Tag. Und sagt, dass er sich eigentlich sogar gefreut hatte, mit mir diesen Trip zu machen und uns Stöcke zu schnitzen und unter riesenhaften Bäumen zu picknicken. „Am Mittwoch hat Marlies mit mir Schluss gemacht“, sagt er noch leiser. Und es passiert etwas, das mit Adri eigentlich nicht passiert. Er erzählt. Von sich. Ich weiß, dass es ihm leichter fällt, weil wir uns nicht in die Augen sehen und es so dunkel ist, dass man nicht einmal die Umrisse voneinander sieht. Aber er redet. Davon, dass es schwer für ihn ist, Gefühle zu zeigen und dass er uns andere manchmal um das Leichte beneidet.

Wir sind komplett offen zueinander. Auch ich. Reden über Ängste, die Zukunft. Es ist tatsächlich, als wären wir die letzten Menschen der Erde, aus denen es plötzlich herausbricht, weil alle anderen nicht mehr da sind. Wir reden und reden, bis es draußen langsam hell wird und sich ein grauer Schleier um unser Zelt legt, dessen Türkis gar nicht in die unberührte Umgebung passt. Bevor uns bleierner Schlaf übermannt, sagt Adri noch: „Ich bin froh, dass du mein Freund bist.“ Eigentlich nichts Großes, aber aus Adris Mund ist es genau das: groß. Und ich liege noch einige Sekunden da, muss lächeln und sage: „Ich auch.“ Es fühlte sich sonst immer ein wenig ungelenk an mit ihm, wie gute Freunde, die alles zusammen machen, aber trotzdem eine Blockade spüren. In dieser Nacht unter dem Sternenhimmel und auf der Kühle des Bodens ist sie wie weggeblasen.

 

Letzer Platz

 

Wir bekommen eine Urkunde, als wir hundemüde wieder in der Basis ankommen. Letzter Platz. 8. Sieger steht drauf. Wir müssen auf der Heimfahrt über den Blick des Ausbilders lachen, der uns nur bei zwei von sechs Challenges, von denen alle anderen fleißig Fotos gemacht haben, einen Haken setzen kann. „Das nächste Mal wird es besser“, sagt er und lächelt uns so zu wie man Kindern zulächelt, die nicht schwimmen können. Uns ist es egal. Wir hören auf der Heimfahrt Glen Hansard, den wir vor einer halben Ewigkeit zusammen im Film Once entdeckt haben. Es beginnt zu regnen. Und während die Tropfen auf der Scheibe zerplatzen, Hansard von der unerfüllten Liebe singt, weiß ich, dass Adri und ich von nun an enger beieinander sein werden. Dass es weitere dieser Gespräche geben wird. Ich weiß nicht, ob uns die Wildnis dazu gebracht hat oder ob es das gleiche Öffnen voreinander auch in einem Hotelzimmer gegeben hätte im richtigen Moment. Was ich weiß: Wir haben nicht gelernt, wie man in der Wildnis überlebt, sondern wie wunderschön es sein kann, wenn man jemanden neu kennenlernt, von dem man dachte, alles zu wissen. Und genau das nehmen wir mit als Adris Auto auf der regennassen Straße München entgegenrollt. Raus aus der Zombie-Welt ohne Menschen, hinein in die Zivilisation.