Wind

Das Leben mit Anfang 30: Von Veränderung und prekären Lebenslagen

„Wer bereut, lebt in der Vergangenheit“

 

Bereuen wir alle also bereits ein paar Entscheidungen? Die Antwort lautet überwiegend: Nein. Denn, wie Ann sagt: „Wer bereut, lebt in der Vergangenheit“. Oder Jason: „Ich würde eher Entscheidungen bereuen, die ich nicht treffe.“ Und sie lautet Jein – für Leute wie Annette, Veronika, Tina und mich, die manche Jobs gerne überlegter oder gar nicht angegangen wären. Und doch auch: Ja, wie Dan meint: „Hätte ich nur damals schon den Wert der Bildungseinrichtung Universität so geschätzt, wie ich es heute tue!“

Zugegeben, ich habe meine Miniumfrage nur an Leute verschickt, die keine existentiellen Krisen durchmachen oder etwa einen nicht wiedergutzumachenden Fehler begingen. Aber dafür an Menschen, die Familie und Land verließen oder Berufe angegangen sind, die sie von ihren ursprünglichen Plänen wegführten.

Es stehen wieder Veränderungen an mit Anfang 30. Aber als verzweifelt Prekarisierte würden wir uns nicht bezeichnen, lieber Herr Dozent. Manchmal zwar auch dank Erbschaften, Eheschließungen, Kontakten, staatlicher Absicherung, oft nur wegen des Uniabschlusses. Aber wer sagt, dass häufige Jobwechsel, Selbstständigkeit oder ehrenamtliche Tätigkeiten und minimalistische Lebensformen eine Form der Prekarisierung sind, dem geben wir recht und auch nicht. Entscheiden kann man das nur aus der Perspektive des/der Betroffenen – und selbst der/die urteilt anders je nach Tagesform und aktueller Lebenseinstellung. So etwas wie ein Haus gebaut hat noch niemand von uns – im Gegensatz zu den Beamten, Ingenieuren und Physikern in meinem Freundeskreis. Das war so allerdings auch nicht geplant, damals an der Isar.

 

Krisen lassen Flügel wachsen

 

Was wir unserem jüngeren Ich aus heutiger Sicht raten würden? Hier die geballte Ladung an guten Wünschen:

(1) Niemals zwei (selbst-)ausbeuterische Jobs parallel annehmen! Möglichst immer finanziellen Puffer lassen, damit man Entscheidungen nicht mit der Pistole im Rücken treffen muss.

(2) Krisen lassen Flügel wachsen. Erst mal ruhig bleiben, in dir steckt mehr, als du denkst. Und nichts ist so schlimm, wie es auf den ersten Blick aussieht, nichts ist für immer.

(3) Einen Schritt in die Richtung gehen, in die du willst. Sobald etwas in Bewegung gerät, kommen Dinge auf dich zu. Und dann nicht zu starr an Plänen festhalten.

Wie es weitergeht? Wir haben gelernt, uns von Stürmen nicht umpusten zu lassen und aus Gegenwind Rückenwind zu machen. Wir werden uns weiterhin „Manche Dinge schön reden, bis irgendwann Veränderungen unumgänglich werden“, wie meine Schwester aus ihrer Krise mitnahm. Wir lernen, manches einfach anzunehmen. Oder in Evas Worten: „Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern dazwischen viele Grauschattierungen. Nicht nur supertoll und total kacke, sondern auch einfach voll okay für den Moment.“

Wir gehen Veränderungen an, gestalten gesellschaftliche Veränderung mit. Nach Bauchgefühl, mit Köpfchen, mit Vertrauen trotz gelegentlicher Angst oder auch einfach Schritt für Schritt. Und dann setzen wir die Segel, wenn sich Gelegenheiten auftun oder Stürme toben. Aber hey – seht her! – das sind stabilere Segel als die, die wir mit Mitte 20 in den lauen Wind of Change hielten.

 

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Bildquelle: Pexels mit CC0-Lizenz

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