Generation Y: Kompromisslosigkeit in der Liebe

Keine Kompromisse in der Liebe!

Sie ist schön, unersetzlich, das Ziel aller Ziele: die Liebe. Sie ist so vieles gleichzeitig, dass es niemals genügend Filme, Bücher und Lieder geben wird, um all ihre Facetten einzufangen und darzustellen. In manchen Situationen oder bei manchen Pärchen scheint sie vor allem eins zu sein: unvernünftig. Das meinte auch schon Alfred de Musset, als er feststellte: „Nichts ist wahrer als die Unvernunft der Liebe.“ Diese Eigenschaft ist eine, die auch uns nachgesagt wird. Uns, der übercharakterisierten Generation Y.

Wir sind alles – nur nicht liebesfähig

In Liebesdingen verhält es sich bei uns ähnlich wie bei einem Konzertbesuch: Wochenlang hat man die Platte rauf- und runtergehört, kann jede Zeile und jeden Ton auswendig. Voller Vorfreude geht man aufs Konzert, voller Erwartungen, die die Band gefälligst zu erfüllen hat. Und dann passiert, was live eben mal passiert: Es geht etwas schief. Die Gitarre ist verstimmt, der Sänger vergisst den Text, das Solo hört sich anders an als auf dem Album. Und alles ist nicht besser, sondern einfach nur schlecht. Und enttäuscht schleicht man sich aus dem Saal, bevor die erbärmliche Performance zu Ende ist.

Uns wird so viel nachgesagt, dass Langenscheidt vermutlich gerade an einer kleinen Extraausgabe über die Definition von „Generation Y“ sitzt. Wir sind selbstbewusst, autonom, denken europäisch und sind konsequent, schreibt Jürgen Klöckner von der Huffington Post. Wir sind hoffnungslose Optimisten mit ungeraden Lebensläufen und festem Glauben an uns selbst, steht in einem Artikel vom Zeit Online Magazin. Und Gebhard Roese, Herausgeber der Liebeszeitung, wusste schon 2013: Die Generation Y ist weltoffen, strebsam und weiß, wie man ordentlich feiert. Aber bei dem schönsten aller Gefühle, da versagen wir alle – weil wir immer gehen, wenn der Liveauftritt der Liebe nicht so ist, wie wir ihn uns vorgestellt haben.

Wir stehen uns selbst im Weg

Ja, man könnte jetzt auf Hollywood schimpfen. Auf den ganzen unoriginellen Scheiß, verpackt im Mantel der romantischen Komödie, den wir uns von klein auf öfter als oft reingezogen haben. Oder auf unsere Eltern, die bei Filmen mit fantasievoll gestalteten Happy Ends nicht die Fernbedienung an sich gerissen und damit den Bildschirm eingeschlagen haben. Man könnte. Aber durch einige schmerzhafte, in der Pubertät gemachte oder postpubertäre Erfahrungen wissen wir: Keine Liebesgeschichte ist so einfach, dass sie innerhalb von neunzig Minuten zu lösen wäre. Und doch halten wir an dieser romantischen, überperfekten Vorstellung von Liebe fest – und erwarten dadurch viel zu viel von anderen Menschen.

In unsere Generation hat sich, getrieben von Selbstoptimierung und dem Wahn, die Welt zu verbessern, eine Kompromisslosigkeit eingeschlichen, die sich uns in der Liebe in den Weg stellt. Seit zwanzig Jahren schon steigt die Zahl der Singlehaushalte in Deutschland. Es gibt unterschiedliche Gründe für diese Entwicklung. Bei einer Umfrage von Statista kam heraus, dass die meisten Befragten nicht zu wenig Zeit für die Partnersuche haben, nicht ihren Beruf vorziehen oder noch am letzten Liebes-Fail zu knabbern haben. Auf Platz 1 der Gründe steht schlicht und ergreifend: „Meine Ansprüche an einen Partner sind zu hoch.“ Ansprüche, die wir uns in den letzten Jahren schön selbst zusammengebastelt haben. Ansprüche, die wir aber auch an uns selbst stellen – und die auch an uns gestellt werden.

Tatsächlich ist die häufigste Begründung für das Single-Dasein in meinem Umfeld folgende: Eine Beziehung ist nur mit dem Menschen drin, der einem Herzrasen verursacht. Den man den Eltern und Freunden ohne Bedenken vorstellen kann. Der einen vergessen lässt, dass die Erde kurz vorm Kollaps steht und der einen wider besseren Wissens an die rosarote Traumwelt glauben lässt. Kurzum: Liebe, ja – aber nur dann, wenn wirklich alles stimmt.

Selbstoptimierung und Erwartungen

Kerstin Bund hat in ihrem Buch „Glück schlägt Geld. Generation Y: Was wir wirklich wollen“ festgestellt, dass wir Jobs nachjagen, die sinnvoll sind. Das Ziel Onkel Dagoberts vom bis an den Rand gefüllten Tresor ist passé: Lieber wollen wir weniger Scheine in unseren Geldbeuteln, aber dafür eine Arbeit, die uns glauben lässt, einen Beitrag zu leisten. Es ist eine Vorstellung, die mit den Erwartungen an uns zusammenpasst: Schließlich sind wir nun die Generation, die sich sämtlicher humanitärer Katastrophen bewusst ist, die weiß, dass der Umweltschutz nicht nur auf dem Papier eingehalten werden muss und gesellschaftliche Missstände endlich beseitigt gehören. Und wir beginnen, dementsprechend umzudenken.

Und auch, wenn es in all diesen Punkten noch hakt und noch viel getan werden muss: Wir haben begriffen, dass sich etwas verändern muss. Dass wir es besser machen können. Und dass wir es dadurch besser haben können. Und wieso sollten wir dieses „Wir machen alles besser“ nicht auch in der Liebe anwenden, wenn es doch in allen anderen Bereichen auch von uns erwartet wird?

Angst, Ausleben – oder doch Romantik?

In der Neon-Ausgabe „Erst mal für immer“ stand, dass wir in der Liebe „All in“ gehen müssen. Dass wir unsere Angst vor Bindungen überwinden müssen. Unseren Perfektionismus abbauen sollten, der Liebe eine Chance geben. Nur tun wir das nicht. Denn wir wollen nicht setzen, nicht wagen, nicht spielen – wir wollen in Liebesdingen nur eines: all inclusive. Wir wollen, wie auch beim Job, dass sämtliche Erwartungen erfüllt sind. Wir haben so viele Möglichkeiten, wir können alles tun und alles haben. Und wir wollen alles, eben auch im zwischenmenschlichen Bereich.

Man könnte diese Einstellung als pure Feigheit bezeichnen, als eine Ausrede von wegen „Ich warte auf was besseres“. Oder man könnte es mit Worten der Band Antilopen Gang sagen. Da heißt es in ihrem Song „Verliebt“ nämlich: Also laufe ich so schnell ich kann / bis ans Ende der Welt / denn ich hab Angst, dass du was dummes sagst, das mir nicht gefällt / solltest du mich finden, will ich nix hören / nur ein dummer Satz würde alles zerstören / dann wär’ ich nicht mehr verliebt in dich / dann wär’ ich nicht mehr verliebt.
Und am Ende drehen sie das Ganze um: Also laufe ich so schnell ich kann / bis ans Ende der Welt / denn ich hab‘ Angst, dass ich was dummes sag‘ / was dir nicht gefällt / solltest du mich finden / will ich nix sagen / nur ein dummer Satz würde dich gleich verjagen / dann wärst du nicht mehr verliebt in mich / dann wärst du nicht mehr verliebt.

Vielleicht ist es ein Hauch romantischen Denkens, der sich in diesen Sätzen zeigt. Das Nachjagen einer Vorstellung von Liebe, die perfekt ist. Die so natürlich niemals existiert, weil sie an der Realität zerbrechen wird. Weil niemand perfekt ist, auch nicht wir, die hoch gelobte und zugleich verachtete Generation Y. Aber wir sind nicht komplett beziehungsunfähige Egozentriker. Wir sind hoffnungsvolle, unvernünftige Optimisten. Und die Liebe ist für uns eben nicht mit einem „perfekten Partner“ möglich – sondern mit einem, der uns unsere antrainierte Kompromisslosigkeit überwinden lässt.

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Bildnachweis: Jared Eberhardt unter CC BY-SA 2.0