Taylor Swift ließ ihre Release-Party für "The Life Of A Showgirl" an drei Tagen in Kinos weltweit starten. © Universal Music

Keeping up with the Swifties: 72 Stunden Release „The Life Of A Showgirl“ – Ein Erlebnisbericht

Vielleicht ist es etwas schwierig nachzuvollziehen, wenn man Fan von Künstler*innen ist, deren Album einfach erscheint. Hier ein Musikvideo, da ein Dankespost, maximal noch ein Clubkonzert als Release-Party. Taylor Swift aber, die ließ ihre Release-Party zu „The Life Of A Showgirl“ einfach an drei Tagen (vom 3. bis 5. Oktober) in den Kinos weltweit starten.

Überhaupt, wie bei ihren letzten Alben gab es gleich einen Stundenplan an die Hand. Doch nur, weil es eine Übersicht gibt, wann Taylor in welcher Late-Night-Show Interviews gibt, heißt es noch lange nicht, dass es nicht rund um die Veröffentlichung ihres zwölften Albums „The Life Of A Showgirl“ jede Menge Überraschungen gab. ZEITjUNG war für euch im Kino.

3. Oktober: Ausverkaufte Kinosäle und Schaulaufen

Ab 6 Uhr morgens können deutsche Swifties also „The Life Of A Showgirl“ streamen, ins Kino kann es aber erst abends gehen. Das Musikvideo zur ersten Single „The Fate Of Ophelia“ soll Premiere feiern. Zum Start der Kartenverkäufe crashten Swifties die Server von Cinemaxx, Cinestar & Co., wie sagt man so schön, „gottlos“. Stundenlang war es bei vielen großen Kinos nicht möglich, Karten zu buchen. Bei den kleineren hingegen: ein leichtes.

In der ASTOR Filmlounge von Arri ist trotzdem emsiges Schaulaufen kurz vor Beginn des Films um 21 Uhr. Orangefarbene Wimpern und Fächer (Taylor Swift teilt jedem Album eine Farbe zu; „The Life Of A Showgirl“ ist hauptsächlich Orange, aber auch ein bisschen Salbeigrün), schwarze, sleeke Kleider mit Zwanziger-Jahre-inspirierten Perlschmuck und auch viele Cardigans (Taylor Swift verkaufte zu einigen Alben passende Wolljäckchen). Friendship bracelets werden getauscht – basierend auf einer Songtextzeile aus „You’re On Your Own Kid“. Bei Betreten des Kinosaals hört man einerseits, wie mitgeschleppte Begleitungen beeindruckend finden, dass sich die Fans solche Mühe geben, andererseits hört man Fans, wie sie von möglichen Überraschungen sprechen.

Doch zu diesen kommt es an diesen Abend erstmal nicht. Denn Taylor Swift leidet ein bisschen an einem, zum Teil selbst auferlegten, Fluch, dass die Swifties immer mehr wollen. 12 neue Songs, das soll es sein? Nein, da kommt doch bestimmt um 7 Uhr deutscher Zeit noch ein Schwung! (Kam nicht, dafür war Taylor Swift in einem Interview-Marathon mit dem britischen Radio, was auch lange nicht der Fall war.)

Taylor Swift für ihr neues Album „The Life Of A Showgirl“ © Universal Music

Die Release-Partys wurden als Dance-Partys vermarktet – blöd nur, dass nicht alle Songs auf „The Life Of A Showgirl“ zum Tanzen einladen. Dennoch stellt sich bald typisch deutsches Mitgeklatsche ein und beim dritten Song, „Opalite“, ist dann doch zumindest die letzte Reihe auf den Beinen. Zunächst zeigt Taylor Swift aber das Musikvideo zu „The Fate Of Ophelia“, bei dem sie unterstützt wird von den Tänzer*innen der „Eras“-Tour. Sobald Kam N. Saunders auf der Leinwand erscheint, quickt der Saal ob des beliebten Tänzers. Das Musikvideo zeigt „all sorts of Showgirls“, von denen aus dem Fernsehen und der Bühne, aber auch der heutigen Popstars und eben der Frauenfiguren in alten Gemälden. Das sei jetzt schon der zweite Shakespeare-inspirierte Song, wo sie meinte „yo, wie wäre es, wenn sie heiraten und niemand stirbt?“

Musikalisch überzeugt auch das opulente Elizabeth Taylor, laut Taylor Swift zur Hälfte Cosplay, zur Hälfte ihre eigenen Erfahrungen. In einem Regiestuhl erzählt sie darüber, wie sie die Songs geschrieben hat, und der Prozess ist sehr spannend. Zum Teil arbeitet sie mit Prompts, wie bei „Father Figure“ (hier gibt sie zu, beide Seiten der Geschichte nachvollziehen zu können), zum Teil mixt ihr Storytelling wie bei „Ruin the Friendship“ die Erfahrungen anderer. Manchmal wirft sie viel in eine Schüssel und es kommen geniale Songs wie „Eldest Daughter“ dabei heraus, manchmal dann doch nicht ganz ausgegorenes wie „Wood“. Das ist aber egal, denn „Wood“ bezieht sich auf das Geschlechtsteil ihres Verlobten, und das Gegröle im Kinosaal ist unerwartet, vor allem bei „magic wand“ und „hard rock“.

Dabei wird Taylor Swift auch sehr persönlich. Denn egal, ob sie jetzt in den Augen der Fans feministisch ist oder nicht, der Wunsch nach einer Beziehung, einer Ehe, eines Soulmates, der kann trotzdem existieren. Und sie erzählt, wie sie einst „too cool“ für die Liebe war, und sich jetzt doch nichts anderes wünscht, als darin aufzugehen.

Der Abend endet mit der titelgebenden Musik, auf der auch Sabrina Carpenter zu hören ist. Ein Song, der auch eben mehr nach eben jener klingt, oder nach Beyoncés „Halo“, und die Geschichte der fiktiven Kitty erzählt. Es stellt sich ein bisschen die Frage, ob Swifties das Album etwas besser verstanden hätte, wäre die Trackreihenfolge nicht davon bestimmt gewesen, dass die Songs untereinander gestellt aussehen wie die Bühne der Eras Tour. Denn das Feedback ist zwiegespalten. Am Abend sind alle glücklich, im Internet sind alle zänkisch – und deutsche Medien fokussieren sich, nun ja, auch auf das Geschlechtsteil ihres Verlobten.