Liebeserklärung an: das Tanzen

Es sind die kleinen Dinge, die uns unseren tristen Alltag versüßen und das Leben ein bisschen besser machen. Ob es hübsche Gänseblümchen sind, die am Straßenrand wachsen oder eine Kugel deiner liebsten Eissorte – wir alle haben kleine Muntermacher in unserem Alltag, über die wir nur selten ein Wort verlieren. Das soll sich jetzt ändern! Wir bieten euch eine Liebeserklärung an die kleinen Dinge, die uns in stressigen Situationen retten, an schleppenden Tagen motivieren oder uns die guten Tage versüßen!

 

Montag morgen, kurz nach acht Uhr, ich bin auf dem Weg in die Arbeit. Scheiß Wetter. Ich greife zu meinen Kopfhörern und mache Musik an. Diese Routine beherrsche ich im wahrsten Sinne im Schlaf. Sofort löst die Musik etwas in mir aus, ich laufe schneller, bin gut gelaunt und merke, wie ich in der U-Bahn meine Beine kaum stillhalten kann. Die Choreographie vom Training gestern schwebt mir noch im Kopf rum. Sie würde jetzt perfekt auf die Musik passen! Wenn mich doch nur nicht so viele Leute mit ihren wichtigen Aktentaschen und Handys am Ohr und Dienstausweis am Gürtel einquetschen würden, dann würde ich auf der Stelle lostanzen.

Ich kann mir richtig vorstellen, wie verwirrt alle wären, wenn ich es wirklich tun würde. Nur würde das leider erstens nicht so schön aussehen, wie ich es mir in meiner Fantasie vorstelle und zweitens würde ich mir unaufgewärmt wahrscheinlich einen Muskelfaserriss zuziehen. Aber das kann mich nicht davon abhalten, regelmäßig einmal die Woche zum Training zu gehen. Klassisches Ballett. Obwohl mein Leben sonst eher einem schlechten Hip-Hop-Track gleicht, mache ich das seit 15 Jahren. (Und bevor jemand fragt: Ja, wir stehen da wirklich auf den Zehenspitzen.)

 

Alles beginnt mit dem Beat

 

Ich bin weder ein Profitänzer noch würde ich behaupten, ich hätte eine besondere Begabung dafür. Aber ich bin überzeugt, dass jeder tanzen kann. Und dass es jeder tun sollte, sich selbst zu Liebe. Nicht immer nur im Club an der Bar lehnen, das Glas umklammern und zaghaft mit den Zehenspitzen im Takt wippen. Sondern inmitten der anderen Leute alles loslassen, alles vergessen, alles ausblenden.

Scheiß drauf, dass du beim Drittversuch durchgefallen bist, dass das Geld heute nicht einmal bis zur Monatsmitte reicht und vor allem scheiß drauf, was die anderen sagen! Nirgendwo sonst kannst du all deinen Frust, deine Wut und deine Freude so gut ausdrücken wie beim Tanzen. Denn dass diese Welt nicht zusammenfällt, liegt nur allein an deinen Beinen. Ob nun der Bass in deinen Ohren dröhnt, du bei Flamenco-Klängen richtig loslegst oder du nur bei Beyoncé – All The Single Ladies abgehen kannst, während du gerade in deiner Wohnung mal wieder beim Staubsaugen bist: Das Gefühl dabei bleibt immer das gleiche. Nur du und die Musik, ihr beide seid für einen Moment in unendlicher Freiheit verbunden.

 

We’re all in this together

 

Schon Von Wegen Lisbeth haben festgestellt: Ackermann, Merkel, Jan Fleischhauer und Voldemort sind nette Menschen, wenn du tanzt. Und es stimmt. Wenn wir alle mehr tanzen würden, wäre diese Welt ein besserer Ort. Statt jeden Morgen schlapp zur Kaffeemaschine zu watscheln, würden wir gut gelaunt und lässig das Wasser aufkochen und durch die Gegend steppen. Wir würden vor jedem Meeting eine kleine ausgelassene Party mit den Kollegen starten und hätten zehn Minuten später den Kopf wirklich frei für die wichtigen Zahlen und Fakten der folgenden Präsentation. Wir würden alle zusammen in der Mensa essen, in der Bib lernen oder auf dem Sportplatz trainineren – sobald einer anfinge zu singen, wüsste jeder von uns den nächsten Tanzschritt. We’re all in this together! Ich schweife ab.

Niemand redet davon, sofort einen doppelten Salto aus dem Stand zu machen oder sexy beim Tango seine Hüften zu schwingen. Obwohl es mich natürlich umhaut, wenn Leute richtig tanzen können. Denn wenn jemand all seine Energie in die Bewegung hineinlegt und sich traut, das auf einer Bühne vor Leuten zu zeigen, finde ich das mehr als bewunderswert. Die Intimität des Moments wird so greifbar und diese Leidenschaft, die dahintersteckt, fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Und wenn meine Freunde auf YouTube Katzenvideos schauen, klicke ich mich durch unzählige Auftritte von Modern Dance bis hin zu Rock’nRoll und bin wie in einem anderen Universum.

Als kleines Mädchen habe ich immer davon geträumt, einmal auf den großen Bühnen dieser Welt zu tanzen. Heute weiß ich, dass das ein unendlich harter Job ist und ich bin froh, dass ich mich letztendlich doch für Journalismus entschieden habe. Trotzdem geht mein Traum jede Woche für eineinhalb Stunden ein kleines Stück in Erfüllung. Und mit „Die Ärzte“ werden dann sogar die grauen Wolken wieder himmelblau und ich fühle mich, als würde ich auf ihnen schweben.

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Bildquelle: Unsplash unter CC0-Lizenz