hassobjekt-weihnachtsfeier

Hassobjekt: Weihnachtsfeiern

Jeder kennt sie, jeder hasst sie und doch brauchen wir sie wie die Luft zum atmen: Nervige Klientele und unnütze Gegenstände des Alltags, über die man sich so richtig schön echauffieren kann – da geht es den ZEITjUNG-Autoren nicht anders. Deshalb lassen wir unserer Wut in der Reihe „Hassobjekt“ einfach freien Lauf und geraten immer Montags in Rage. Eins ist sicher: Nichts ist uns heilig und keiner wird verschont. Dieses Mal auf der Abschussliste: „Weihnachtsfeiern“.

Die Fremdscham scheint einige Termine auf Wiedervorlage gespeichert zu haben. So zum Beispiel die alljährlichen Weihnachtsfeiern der Großkonzerne. Da werden Schlipsträger zu Gangsterrappern und Geschäftsführungsassistentinnen zu Amateurstripperinnen.

 

Abriss sponsored by Moët

 

Angeblich prägte der Schauspieler Harald Juhnke einst den weisen Spruch „Ich hasse Silvester, da saufen auch die Amateure.“ Tja, ein ähnliches Gefühl vermittelt der Blick auf die Tanzflächen der exklusiv angemieteten Edeltanzlokale. Wirkt zunächst alles noch ein wenig steif und unbeholfen, so gibt es spätestens nach der siebzehnten Magnumflasche Moët kein Halten mehr: Die Hand des Vorstandsvorsitzende streift aus Versehen das Gesäß der Kellnerin – fünfmal. Der ganzjährig verlachte IT-Fachmann mutiert zum verlachten Dancefloor Maniac und dem Marketingleiter bleibt nichts anderes übrig, als seine Line Koks direkt von der Servierplatte zu ziehen. Da so – branchenabhägig – auch typische Erfahrungsberichte gediegener Mittagspausen aussehen, sind natürlich die zwischenmenschlichen Interaktionen unter den Kollegen die wirklichen Punchlines, die das verbitterte Volk ersehnt. Und das Volk wird nicht enttäuscht werden. Irgendeine überambitionierte Praktikantin begeht immer den Fehler die Weihnachtsfeier zu Networking-Zwecken nutzen zu wollen. Ge-networked wird dann am Ende irgendwie auch, aber meistens anders, als es ursprünglich gedacht war. Immerhin wird das kurze Intermezzo mit dem entscheidungsunbefugten Junior Personaler dafür sorgen, dass die Praktikantin einen bleibenden Eindruck bei den Kollegen hinterlassen wird – im Endeffekt also genau das, was ein Praktikum erreichen soll.

Am nächsten Morgen dann das grausame Erwachen. Sind die Kopfschmerzen durch eine angemessene Dosis Morphium betäubt und das eigene Erbrochene aus den Haaren gekämmt, beginnt der wirkliche Schmerz des Tages: Die Konfrontation mit den Kollegen. Jeder weiß, wer mit wem am vorherigen Abend was getrieben hat. Und wo. Und wie oft. Selbst die Angestellten, die für die interne Betriebskommunikation für gewöhnlich nur empörte Worte übrig haben, sind erstaunlich gut über die Vorfälle des vorherigen Abends informiert.

Für langjährig verdiente Mitarbeiterinnen ist die Weihnachtsfeier ein Höhepunkt in ihrer jobdominierten Existenz: Endlich mal abschalten und an etwas anderes denken als die Arbeit. Mit den Kollegen. Vor dem Chef. Im Businessoutfit. Funktioniert nie!
Die langjährig verdienten Mitarbeiter hingegen schütteln nur den Kopf und schwelgen in Erinnerung an eine Zeit, in der Frauen auf der Weihnachtsfeier lediglich anwesend waren, um in kurzen Röckchen mit Feuer für die Zigarre auszuhelfen.

 

„Aber scheiß drauf, peinlich ist nur einmal im Jahr!“

 

Als Außenstehender hingegen können diese Abende den größten Unterhaltungswert haben. Eine Bar, die lediglich für Weihnachtsfeiern öffnet, dürfte eine so hohe Interaktionsrate hervorrufen, dass jedem Social Media Manager Hören und Sehen vergeht. Was in der Tat sehr schade wäre, denn wie sollte man dann dem geheuchelten Dank des CEOs für die „erfolgreichen und kooperativen zurückliegenden 12 Monate“ folgen können?

Und noch ein abschließender Tipp für alle Controller, die ihren Job Ernst nehmen: Große Einsparungsmöglichkeiten liegen in der Planung einer Weihnachtsfeier. Ratet dem Organisationskomitee doch bitte dazu, auf Entertainment in Gänze zu verzichten. Irgendeine zur Rampensau berufene Halbzeitkraft findet sich immer, die sich irgendwann das Mikro mit der Ansage „Weihnachtsfeier 2018! Was geht???“ unter den Nagel reißt, gefolgt von einer demütigenden Version des Jingle Bell Rock. Und auch auf komplizierte Lichtkonstruktionen kann verzichtet werden! Am Ende steht ohnehin jemand in Flammen – und wenn es nur der Weihnachtsbaum in der Empfangshalle ist.

In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten und danke für die erfolgreichen und kooperativen zurückliegenden 12 Monate.

 

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Schröder Schömbs unter CC BY-ND 2.0