Schlechte Laune Studie Prüfungszeit

Alltagsaggression: Geh mir aus dem Weg, Penner!

Scheiß Prüfungszeit! Wieder zehn Minuten zu spät aufgestanden, Kaffee fällt aus, Frühstück ebenso und der Bus ist schon längst zehn Haltestellen weiter – also ab aufs Fahrrad. Klar, dass in dem Moment, in dem du dich auf den Sattel schwingst, die ersten Tropfen fallen. Und ebenfalls klar, dass alle Ampeln auf dem Weg immer dann auf rot umschalten, wenn du dich der Straßenkreuzung keuchend und bereits komplett durchnässt näherst. Dein Tag dauert noch nicht mal eine halbe Stunde und schon würdest du am liebsten die fröhlich hüpfenden Fußgänger vor dir aus dem Weg kicken.

Alltagsaggressionen. Egal ob groß oder klein, tagsüber oder abends – wir alle haben sie mal und führen still und heimlich einen Kleinkrieg im Kopf gegen unsere Umwelt mit Wort-Heugabeln und Schimpftiraden-Fackeln.

 

Egal ob gut oder schlecht – Laune ist kopierbar

 

Es gibt eben Tage, da ist die Welt von mehr Idioten bevölkert als sonst. Da sind Pärchen, die gemütlich schlendernd die ganze Gasse versperren, während du vollbepackt mit Lebensmitteln überholchancenlos hinter ihnen her keuchst. Oder der verwirrte alte Mann, der an der Supermarktkasse zehn Minuten im letzten Fach seines Geldbeutels nach passenden Münzen kramt und wegen dem du mal wieder mehr Parkgebühren zahlen musst. Oder das Kleinkind, das sich den Platz neben dir im Bus ausgesucht hat, um nach Herzenslust und ohne erkennbaren Grund in dein Ohr zu brüllen. Solche kleinen Zuckerstücke reichen nicht nur aus, um dein Inneres zum kochen zu bringen. Nein, es kann einem in einer weiteren Folge richtig die Laune verderben. Oder eben schlichtweg der Ausdruck für unsere bereits vorherrschende, grundschlechte Stimmung sein.

Schlechte Laune kann ansteckend sein. Je sympathischer wir eine Person finden, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir die Stimmung des anderen kopieren. Das hat der Psychologe Wolfgang Tschacher von der Universität Bern herausgefunden. Hat die andere Person gute Laune, neigen wir dazu, ebenfalls freudestrahlend durch die Straßen zu flanieren. Hingegen reicht es aus, „Schlechte-Laune-Attraktoren“ nachzumachen wie verspannte Haltung und verschränkte Arme – und schon ist die Welt ein dunkler, mieser Ort voller Hundehaufen, die mal wieder keiner weggeräumt hat.

 

Charmante, nervtötende Eigenheiten

 

Laut einer Studie der Universität New South Wales haben die Angela-Merkel-Mundwinkel aber auch einen Vorteil: Die Aufmerksamkeit und das Denken ist bei schlechter Laune erhöht. Heißt: Wenn uns irgendein Mist passiert, können wir noch viel länger davon zehren als wir es bei einem Gute-Laune-Erlebnis könnten. Und alle so yeah!

Vielleicht ist der Zusammenhang vom Traurigen-Clowns-Gesicht und erhöhter Aufmerksamkeit ja der Grund dafür, dass sogar unsere Freunde an miesen Tagen nur bis zu einem gewissen Grad ertragbar sind. Wenn wir mit inneren Aggressionen und mieser Grundstimmung herumlaufen, fallen uns plötzlich Dinge an unseren Freunden auf, die uns sonst nie gestört haben: die eine kaut Fingernägel, der andere schlürft beim Trinken und überhaupt klingt die Lache deines besten Freundes wie ein quietschendes Hundespielzeug. Einfach nur nervtötend und definitiv so, dass man nicht weghören kann. Was nicht gerade hilft, die Rolle des Miesepeters wieder loszuwerden.

 

Stress und schlechte Laune

 

Der Dozent von einer Freundin von mir hat in der vorletzten Sitzung an seine Studenten folgende Gratis-Weisheit verteilt: Sie sollen doch bitte während der Prüfungsphase nicht so viele Süßigkeiten in sich hineinstopfen – das mache nur fett und unglücklich und rufe noch schlechtere Laune hervor als die unüberschaubare Menge an Power-Point-Folien, die sie die nächsten Wochen lernen müssen. Schlecht gelaunte Studenten hätte er auch so schon genug, ganz ohne übermäßigen Schokoladenkonsum.

Abgesehen davon, dass seine Aussage völlig unsympathisch, unverschämt und überflüssig ist – ganz unrecht hat er ja nicht. In Zeiten des erhöhten Leistungsdrucks stressen wir uns nämlich viel mehr. Prüfungsangst, Zukunftsangst und die ewige Gedankenmacherei wegen Geld führen laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse bei jedem fünften Student zu einer psychischen Krankheit. In unsicheren Zeiten ist es umso wichtiger, dass wir für einen Ausgleich sorgen – sei es mit Sport oder sonstigen Freizeitaktivitäten, die uns vom überhöhten Stresslevel auf ein normales Niveau zurückspringen lassen. Schokolade in sich hineinzustopfen gehört da wohl eher nicht dazu, auch wenn der Weg zur Küche lang sein sollte. Damit kriegen wir weder das Gefühl der Überforderung, noch unsere innere, aggressive Stimme in den Griff.

 

Nach dem Urlaub wieder Single

 

Gegen schlechte Laune soll übrigens unter anderem Knutschen helfen. „Der Kuss hat eher gesundheitliche als krank machende Wirkungen“, sagt der Biopsychologe Peter Walschburger von der Freien Universität Berlin. Blöd nur, wenn gerade kein passender Kandidat in greifbarer Nähe ist, den man abschmusen könnte. Da haben es Pärchen schon besser – aber eben auch nur bedingt.

Der Psychologe Rainer Sachse erklärt in einem Interview mit Zeit Wissen, wie es am besten schief läuft. Ungeklärte Alltagskonflikte sind mit das sicherste Mittel, das man in den Koffer packen sollte, wenn man seinen Partner loshaben will. „Urlaub ist ein Multiplikationsfaktor: Probleme, die schon zu Hause existieren, werden da verschlimmert“, erklärt Sachse das Phänomen des scheinbar unvermeidbaren zoffenden Pärchens am Strand. Grund dafür sei, dass man mehr Zeit miteinander verbringen könne und mehr Aufmerksamkeit für das über hat, was der andere so tut und von sich gibt. Steigt man schon mit einer gewissen ablehnenden, aggressiven Haltung gegenüber dem Anderen in das Flugzeug, ist Streit vorprogrammiert, denn: „Sie und Ihr Partner gehen geladen in den Urlaub und reagieren schnell negativ aufeinander. Im besten Fall streiten Sie sich über banale Dinge wie nasse Badehosen auf dem Bett. Dann schaukeln Sie sich gegenseitig so hoch, dass Sie drei Tage lang sauer aufeinander sind.“ Und irgendwann wieder Single.

 

Wenn nur all die Leute nicht wären…

 

In dem Song „Das Ende der Beschwerde“ von PeterLicht heißt es: „Gesellschaft ist toll, wenn nur all die Leute nicht wären.“ Dabei müsste man es gar nicht so negativ sehen. Pünktlich aufstehen, genug Zeit zum Lernen einplanen und vielleicht einfach mal entspannter auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren, würde schon viel helfen. Stress ist etwas, was wir uns selbst einbrocken. Und entweder heißt es dann: Augen zu und durch oder eben ein paar Punkte von der Liste streichen, wenn wir das Gefühl haben, durch diese unterzugehen.

Ein bisschen weniger Stress lässt uns unseren Gute-Laune-Regler wieder nach oben schieben. Wenn wir das nächste Mal durch den Regen fahren, ohne zu spät dran zu sein oder ohne auf den üblichen Koffeinshake verzichtet haben zu müssen, schweigen wohl auch unsere Mistgabelbauern in unserem Kopf. Und wir können grinsend durch den Regen radeln, an dem wir sowieso nichts ändern können. Und falls nicht: Es gibt auch eine Studie, die besagt, dass wir ruhig laut fluchen sollen. Das gibt nämlich Kraft und Energie. Also: Den nächsten bummelnden Fußgängern vielleicht einfach zurufen, „Aus dem Weg, ihr Penner!“ und dann lässig und fröhlich winkend an ihnen vorbei treten.

 

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Bildquelle: iulia Pironea unter CC BY 2.0