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Anschlag auf BVB-Bus: So erlebte unser Autor den Abend in einer Sportredaktion

 

Die Unglaublichkeit dieser Tage

 

Bei Skype wird die Professionalität, das Übersetzen der PK-Aussagen, die Informationen der Franzosen, die ebenfalls einen Mann vor Ort haben, erst abgelegt, als die Attacke auf Dortmund redaktionell verarbeitet ist. Dann aber tappt auf leisen Sohlen, so wie die Sonne in diesen Tagen, die Menschlichkeit in unseren Skype-Chat und in unsere Redaktion.

 

Can’t believe what’s happening these days“, schreibt einer der Holländer mir. Ich kenne auch ihn nicht persönlich, aber ich mag seine Witze bei Skype. Ich telefoniere mit England, um unser weiteres Vorgehen zu erläutern. Am Ende sagt einer der Chefs, dass das Wichtigste ist, dass es unserem Mann vor Ort gut gehe, dass nichts Schlimmeres passiert sei.

Und hier, im Büro, ist die Stimmung genau so. Zwischen Kaffee, der kühlen Luft, die aus einem der inzwischen geöffneten Fenster zu uns herein strömt, sind wir erleichtert. Dass niemand gestorben ist, dass es gut gegangen ist, dieses eine Mal. Gleichzeitig aber sind wir uns bewusst, dass heute die Grenze verwischt wurde wie von einem Schwamm, der eine Kreidelinie tilgt. Wir sind alle Fußballverrückte, führen Interviews, schreiben Geschichten auf, von denen der Sport so viele hat. Nun aber ist das Leben außerhalb der Vereine, Stadien und Spieler in unsere Redaktion eingezogen. Trennen lässt sich das nicht mehr: der Fußball und das so flirrend schnell dahin rasende Leben.

 

Dortmund verändert etwas

 

Denn völlig egal, wer hinter der Attacke steckt, völlig egal, was das Ergebnis der auf Hochtouren laufenden Ermittlungen sein wird; ganz und gar unschuldig in einer ganz und gar schuldigen Welt ist der Sport nicht mehr. Denn er ist ein Teil von ihr. Die Koexistenz wurde nicht erst am Dienstag abgeschafft. Viel mehr führte die Attacke endgültig vor Augen, dass die Welt in Mitteleuropa eine andere ist als noch vor einigen Jahren.

Nie war es so schwer, morgen einfach so weiter zu machen“, schreibt ein Kollege in der Nacht noch auf Twitter. Auch wenn ich das nicht ganz so sehe, weil genau das die Reaktion sein muss auf Gewalt, das Verhindern, dass man sich nach den Verursachern richtet und Angst und Veränderung Tür und Tor öffnet, ist es dennoch so: Als ich in der S-Bahn sitze, todmüde, draußen die dunklen Häuser schlafend daliegen, genau so, wie sie es seit Jahren tun, schleicht sich eine Erkenntnis in mein Bewusstsein.

Wir haben in dieser Nacht unsere Arbeit gemacht. Jetzt aber, danach, sind wir alle Menschen. Und die Tatsache, dass Gewalt so einfach in die Sportwelt eindringen konnte, bewegt. Uns alle, die wir in dieser Branche tätig sind. Die Tatsache, dass niemand ernsthaft zu Schaden kam, dass auch Marc Bartra sich erholen wird von seiner Armverletzung, ist ein Trost. Der Gedanke, dass diese Nacht nicht die letzte ihrer Art gewesen sein wird, das genau Gegenteil.