
Finanzielle Unabhängigkeit für Frauen? Warum das oft Wunschdenken bleibt
In Deutschland können sich mehr als die Hälfte der berufstätigen Frauen nicht selbst finanzieren. Besonders betroffen sind Mütter – sieben von zehn verdienen zu wenig Geld, um sich und ihr Kind langfristig abzusichern. Ohne Unterstützung durch einen Partner oder staatliche Hilfen bleibt finanzielle Unabhängigkeit für viele unerreichbar. Eine aktuelle Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zeigt, welche Faktoren dazu beitragen und wo die größten Hürden liegen.
Kinderbetreuung als Schlüssel zur Vollzeitbeschäftigung
Viele Frauen würden gerne mehr arbeiten, doch fehlende Betreuungsangebote für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige verhindern das. Besonders Mütter müssen oft in Teilzeit arbeiten, was sich langfristig auf Einkommen und Rente auswirkt. Arbeitgeber bieten zudem selten flexible Arbeitszeitmodelle an, sodass sich Familie und Beruf schwer vereinbaren lassen.
Laut der Studie könnte ein Ausbau der Betreuungsinfrastruktur Frauen helfen, mehr Stunden zu arbeiten und finanziell unabhängiger zu werden.

Steuersystem hält Frauen in der Teilzeitfalle
Ein weiteres Problem ist das deutsche Steuersystem. Das Ehegattensplitting sorgt dafür, dass es sich für viele Frauen nicht lohnt, in Vollzeit zu arbeiten – vor allem, wenn der Partner deutlich mehr verdient. Auch Minijobs bieten kaum Perspektiven: Sie bringen kurzfristig Geld, tragen aber wenig zur Rentensicherung bei.
Die DGB-Studie schlägt Reformen vor, um Frauen den Weg in existenzsichernde Jobs zu erleichtern. Eine Anpassung des Ehegattensplittings und bessere Bedingungen für Teilzeitkräfte könnten helfen, mehr Frauen in reguläre Beschäftigung zu bringen.
Was ein existenzsicherndes Gehalt ausmacht
Wie viel Geld braucht eine Person in Deutschland, um unabhängig zu sein? Laut Berechnungen liegt die Grenze für Alleinstehende bei 1.500 Euro brutto im Monat. Mit einem Kind steigt der Betrag auf mindestens 1.850 Euro. Doch diese Summen decken nur den laufenden Lebensunterhalt. Um für Krisenzeiten oder das Alter vorzusorgen, wäre ein deutlich höheres Einkommen nötig.
Laut der Studie müssten Frauen ohne Kinder mindestens 2.900 Euro brutto verdienen, um langfristig abgesichert zu sein. Mütter mit kleinen Kindern bräuchten rund 3.600 Euro – für viele unerreichbar, weil sie entweder zu wenig verdienen oder zu wenige Stunden arbeiten können.
Frauen verdienen im Schnitt weniger
Frauen in Deutschland erhielten 2024 im Durchschnitt 18 Prozent weniger Gehalt als Männer. Ein Grund dafür ist, dass sie häufiger in Teilzeit arbeiten. Doch selbst bei gleicher Qualifikation und identischer Tätigkeit gibt es oft Unterschiede: Der sogenannte „bereinigte Gender Pay Gap“ zeigt, dass Frauen in vielen Fällen schlechter bezahlt werden.
Besonders betroffen sind Berufe mit hohem Frauenanteil, etwa in der Pflege oder Erziehung. Diese Jobs sind oft schlechter bezahlt als männlich dominierte Branchen. Die DGB-Studie empfiehlt, diese Berufe aufzuwerten und die Löhne anzuheben. Eine stärkere Tarifbindung könnte ebenfalls helfen, denn tariflich geregelte Gehälter liegen meist über dem gesetzlichen Mindestlohn.
Haushaltsarbeit als unsichtbare Belastung
Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit ist die unbezahlte Arbeit im Haushalt. Frauen übernehmen meist den Großteil der Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und Haushaltsaufgaben – oft zulasten einer Vollzeitstelle. Ein Lösungsansatz wären staatliche Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen. Das würde nicht nur Familien entlasten, sondern auch regulär bezahlte Jobs in diesem Bereich schaffen.
Die DGB-Studie zeigt, dass finanzielle Unabhängigkeit für Frauen von vielen Faktoren abhängt. Bessere Betreuungsmöglichkeiten, faire Löhne und eine Steuerpolitik, die Erwerbstätigkeit belohnt, könnten dazu beitragen, dass mehr Frauen von ihrem eigenen Einkommen leben können.
Das Original dieses Artikels „Geringer Lohn, keine Sicherheit: Jede zweite Frau bleibt finanziell abhängig – ein Leben lang “ erschien zuerst bei unserem Partner Smart Up News.
Gleich weiterlesen:
- Swipe nach links: Rating-Apps verlieren Nutzer – Warum sich immer mehr Menschen abmelden
- Versteckte Zerstörung: Die wahren Kosten unseres Papierverbrauchs
- Warum Ehrlichkeit in Beziehungen oft weh tut – aber glücklich macht
Folge ZEITjUNG auf Facebook, TikTok und Instagram!
Bild: Vecteezy; CC0-Lizenz