Ist Fleischkonsum das Rauchen des 21. Jahrhunderts?
„Eine Schachtel Zigaretten ersetzt eine Orange am Tag“ (Pall Mall, 1960er). Sieht man heute Zigarettenwerbung aus dem 20. Jahrhundert, fragt man sich, wie die Menschen damals wirklich glauben konnten, dass Rauchen gesund macht. Die Werbung vermittelte den Eindruck: Zigaretten sind wie Vitamine – gesund und notwendig für den Körper. Ist ein geschickter Werbetrick, wie jener der Tabakindustrie, in Sachen Gesundheit heute noch möglich? Ich war der Meinung: Nein, sicherlich nicht.
Hat sich das Game Verändert?
Bis ich die Dokumentation „The Game Changers“ sah. Die Doku begleitet professionelle Athleten*innen, die sich vegan ernähren und „trotzdem“ Spitzenleistungen bei internationalen Wettkämpfen erzielen. Anhand zahlreicher Statistiken untermauert „The Game Changers“ die These, dass der Mensch kein Fleisch braucht, um ausreichend Proteine für den Muskelaufbau zu generieren, sondern dass pflanzliche Proteine vollkommen ausreichen. Das Tier dient dabei lediglich als Medium für Proteine, die schon in den Pflanzen stecken und vom Tier gefressen werden. Der Mensch wiederum frisst das Tier als Proteinlieferant, schöpft aber aufgrund der Funktion des Tieres als Medium nicht das volle Potential der möglichen Proteine aus.
… und dann kam schwarzenegger
Diese These steht in völligem Widerspruch zu jenen Informationen, die ich seit Jahren medienübergreifend vermittelt bekomme. Egal ob Zeitschriften, Youtube-Kanäle, die sich mit Fitness und Ernährung beschäftigen, oder Reportagen über Bodybuilding. Stets heißt es: Für den Muskelaufbau braucht es fettarmes, weißes Fleisch. Könnte es also sein, dass die Gesellschaft hier seit Jahren dem Schwindel einer Marketingstrategie der Fleischindustrie unterliegt? Während ich den Film mit all seinen Versuchen und Expert*innenmeinungen sah, blieb ich skeptisch. Bis Arnold Schwarzenegger – Mr. Mehrere-Kilogramm-Fleisch-am-Tag-in-Pumping-Iron-Zeiten – selbst auftritt und diese These stützt. Das muss man sich mal vorstellen: Da kommt der erfolgreichste Bodybuilder der Welt, stellt sich vor eine Kamera und sagt:
„This is great, great marketing by the meat industry. Selling that idea that real men eat meat. But you’ve got to understand: that´s marketing. That’s not based on reality.“
Die Ansicht „du brauchst Fleisch für den Muskelaufbau“ ist, so finde ich, noch tief im kollektiven Gedächtnis unserer Gesellschaft verankert. So tief, dass ich nicht mal annähernd auf die Idee gekommen wäre, dieses „Wissen“ zu hinterfragen. Glaubt man Schwarzenegger und Co., dann ist der Fleischkonsums das Rauchen des 21. Jahrhunderts.
Warum ein Tier essen, wenn’s auch ohne geht?
Zurecht trägt der Film meiner Meinung nach den Titel „The Game Changers“, denn er hat meinen Bezug zu Lebensmitteln auf den Kopf gestellt. Zumindest am Anfang.
Es ist jetzt fast ein Jahr her, dass ich den Film sah und entschied meine Ernährung zu verändern. Dabei steht bei mir vor allem der Kosten-Nutzen-Faktor im Vordergrund. Warum soll ich ein Tier essen, wenn es mit Bohnen, Erbsen, Nüssen und Co. effizienter geht? Der Verzicht auf Fleisch brachte neue Rezepte auf den Speiseplan, führte aber auch dazu, bekannte Rezepte zu erneuern. Statt mit Hackfleisch zu kochen, zerstampfte ich Tofu. Der enthält mehr Proteine und weniger Fett, schmeckt aber mindestens genauso gut. Ich fühlte mich fit, gesund und vor allem nach dem Essen weniger träge. Während mein Selbstversuch in Sachen veganer Ernährung in den ersten Monaten super funktionierte, stelle ich heute erschrocken fest, wie schnell das neue Wissen in Vergessenheit gerät und wie schwierig es ist, alte Essgewohnheiten ad acta zu legen. Ich ertappe mich dabei, wie ich im Supermarkt stehe und darüber nachdenke, ob mein Curry mit ein paar Hähnchenstreifen nicht viel besser schmecken würde. Kommt man aus einem Haushalt, in dem Fleisch mit Wohlstand assoziiert wird und zu einer „richtigen“ Mahlzeit einfach mit auf den Tisch muss, ist es schwer, konsequent zu bleiben. Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier.
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Bildquelle: Pexels