Unerfüllter Kinderwunsch? Diese Mythen und Fakten musst du kennen

Viele Paare in Deutschland sind ungewollt kinderlos – und oft fehlen ihnen wichtige Informationen über Fruchtbarkeit. Susann Kreuz, Reproduktionsmedizinerin in der Berliner „Praxis für Fertilität“, beschreibt im Interview mit der WELT, welche Mythen es gibt und warum ein „Aufklärungs-Update“ ab Mitte zwanzig sinnvoll wäre. Rund 10 Prozent der Paare im Alter von 25 bis 59 Jahren bleiben trotz Wunsch ohne Nachwuchs. Die Gründe liegen Kreuz zufolge oft in fehlendem Wissen darüber, was die Fruchtbarkeit beeinflusst und wie man die Chancen auf eine Schwangerschaft steigert.

Entscheiden, dann loslegen

Laut Kreuz ist es entscheidend, dass Paare die Entscheidung für eine Schwangerschaft bewusst treffen und nicht auf den „perfekten Moment“ warten, da dieser oft nie kommt. Sobald der Entschluss feststeht, empfiehlt Kreuz, Verhütungsmittel abzusetzen und einige Vorsorgechecks beim Gynäkologen zu machen, wie zum Beispiel die Immunität gegen Windpocken und Röteln zu prüfen. Zusätzlich wird üblicherweise Folsäure empfohlen, ein Vitamin, das das Risiko von Fehlbildungen beim Kind senken kann.

Fruchtbarkeit verstehen – jenseits der Zyklus-Apps

Viele Paare sind überrascht, dass regelmäßiger Geschlechtsverkehr – zwei- bis dreimal wöchentlich – oft ausreicht, um den Eisprung nicht zu verpassen, ohne sich auf Zyklus-Apps oder Ovulationstests zu verlassen. Kreuz sagt, viele wüssten nicht, dass Spermien bis zu einigen Tagen im weiblichen Körper überleben könnten, wodurch eine höhere Chance auf eine Befruchtung besteht, selbst wenn der Eisprung nicht genau verfolgt wird.

Die Rolle des Alters

Das durchschnittliche Alter für die erste Schwangerschaft in Deutschland liegt inzwischen bei etwa 30 Jahren. Dennoch fällt es vielen schwer, die eigene Fruchtbarkeit realistisch einzuschätzen. Ab Mitte dreißig sinkt die Wahrscheinlichkeit auf eine Schwangerschaft signifikant. Bei Frauen verschlechtert sich die Qualität der Eizellen, da diese seit Geburt im weiblichen Körper vorhanden sind und allen Lebensumständen, wie etwa Nikotin oder Umweltfaktoren, ausgesetzt sind. Die wenigsten wissen, dass das Risiko für Chromosomenfehler ebenfalls mit dem Alter zunimmt.

Zeit für Social Freezing?

Um die Fruchtbarkeit zu erhalten, ist Social Freezing eine Option – insbesondere bei jüngeren Frauen. Am sinnvollsten sei es laut Kreuz, in den späten Zwanzigern Eizellen einfrieren zu lassen, wenn ihre Qualität am höchsten ist. Doch in der Praxis stellt sich diese Entscheidung oft erst Ende dreißig, wenn die Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft bereits sinken. Kreuz empfiehlt, Social Freezing bis spätestens 37 Jahre in Betracht zu ziehen, da die Eizellenqualität danach bereits stark abgenommen hat.

Wann sollte man ärztliche Hilfe suchen?

Laut Kreuz sollte ein Paar spätestens nach einem Jahr regelmäßigen Geschlechtsverkehrs ohne Verhütung ärztliche Unterstützung in Erwägung ziehen. Für Frauen ab 35 Jahren ist es ratsam, bereits nach sechs Monaten ohne Schwangerschaft eine Kinderwunschklinik aufzusuchen, da es in diesem Alter oft entscheidend ist, frühzeitig mögliche Ursachen zu diagnostizieren. Paare sollten dabei auch medizinische Bedingungen wie Endometriose oder hormonelle Störungen im Blick haben, die eine Empfängnis erschweren können.