
Was unglückliche Paare in langen Beziehungen zusammenhält
Viele Paare, die lange zusammen sind, sind nicht immer glücklich in ihren Beziehungen. Trotzdem trennen sie sich oft nicht. Woran liegt das?
Saskia Furtler, die eigentlich anders heißt, kennt das gut. Ihren Mann traf sie bereits in der Schule, Jahre später wurden sie ein Paar, bekamen Kinder und waren glücklich. Doch nach zehn Jahren Beziehung entdeckte sie, dass er eine Affäre hatte. Als sie ihn darauf ansprach, beendete er die Affäre, und sie gingen in eine Paartherapie. „Ich wollte keine Trennung wegen der Kinder“, sagt Furtler. Trotzdem habe sich ihre Beziehung verändert, und ihr Urvertrauen sei verschwunden. Acht Jahre später entdeckte ihre Tochter ein Foto auf dem Handy des Vaters – von derselben Frau und einem Paar roter Schuhe. Wieder habe Furtler gezweifelt: „Ich dachte, diesmal hat unsere Beziehung keine Chance mehr.“ Doch ihr Mann versicherte, es sei nichts passiert. Sie dachte an die Kinder, an ihre lange gemeinsame Zeit und entschied sich, trotz allem zu bleiben.
„Unglücklich sein gehört dazu“
Paartherapeut Tom Levold erklärt in der FAZ, dass Unzufriedenheit in Langzeitbeziehungen normal ist. Laut Levold gebe es immer Konflikte, weil man einander in langfristigen Beziehungen sehr nahekommt.
„Unglücklich zu sein ist etwas relativ Normales in langfristigen Beziehungen.“
Paartherapeut Tom Levold
Viele Paare würden bleiben, selbst wenn sie nicht vollkommen glücklich seien. Ein Beispiel dafür ist Vincent Becker (Name geändert), der mit seiner Frau wie in einer Wohngemeinschaft lebt. „Wir frühstücken nicht zusammen, essen nicht zusammen zu Abend“, beschreibt er seinen Alltag. Trotz der Schwierigkeiten habe er nie ernsthaft darüber nachgedacht, sich zu trennen. Was ihn hält, sei eine starke Verbundenheit. Sie kennen sich seit dem Studium, haben gute Erinnerungen miteinander und unterstützen sich gegenseitig in schwierigen Zeiten. Becker ist sich sicher: „Das schmeißt man nicht einfach weg.“
Emotionale Sicherheit ist entscheidend
Laut Levold sind gemeinsame Verpflichtungen wie Kinder oder Eigentum wichtige Faktoren für eine langfristige Beziehung. Aber auch emotionale Sicherheit und Wertschätzung spielen eine entscheidende Rolle. Paare, die zusammenbleiben, schätzen sich oft trotz ihrer Probleme. Ein Beispiel dafür ist die Magersucht von Beckers Tochter. Das Paar habe die schwere Zeit gemeinsam durchgestanden und sei dadurch enger zusammengewachsen. „Das verbindet uns“, sagt Becker.
Saskia Furtler erlebte nach dem zweiten Vertrauensbruch eine schwere Zeit. Sie entwickelte gesundheitliche Probleme und konnte zunächst nicht verzeihen. Doch zwei Jahre nach dem Vorfall entschied sie sich, mit ihrem Mann zusammenzubleiben. In der Paartherapie hat sie gelernt, dass ihr Mann viel Anerkennung von außen braucht und das nichts mit ihr zu tun habe. Ihr Mann hat gelernt, sie mehr in seine Pläne einzubeziehen. Beide haben gemeinsam gelernt, mehr auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen.
Paartherapie als Lösung?
Levold betont, dass Paare, die ihre Konflikte in einer Atmosphäre gegenseitiger Anerkennung lösen können, gute Chancen hätten, zusammenzubleiben. „Es hilft, wenn Paare auch in schweren Momenten noch miteinander lachen können“, erklärt er. Paare, die sich gegenseitig respektieren und ihre Probleme nicht primär durch Angriffe auf den anderen lösen, hätten deutlich bessere Chancen.
Für Becker und seine Frau kam eine Paartherapie jedoch nie infrage. „Wir machen das auf unsere Weise“, sagt er. Konflikte werden bei ihnen oft unter den Teppich gekehrt. Dennoch empfindet er eine tiefe Zufriedenheit in seiner Beziehung. Selbst wenn seine Frau eine Affäre hätte, wäre das kein Trennungsgrund für ihn.
Realistische Erwartungen
Levold erklärt, dass es Paare leichter haben, die keine unrealistischen Erwartungen an eine perfekte, dauerhafte Glückseligkeit in der Beziehung hätten. Stattdessen helfe es, bescheiden zu sein und sich auf die Stabilität der Beziehung zu konzentrieren. Wenn beide Partner ähnliche Erwartungen an die Beziehung haben, sei die Chance, lange zusammenzubleiben, höher.
Saskia Furtler beschreibt, dass ihre Beziehung nach den Vorfällen zwar anders sei, sie aber gelernt habe, damit zu leben. Die Angst vor einem erneuten Vertrauensbruch ist zwar da, aber sie kann sich trotzdem nicht vorstellen, ihren Mann zu verlassen. „Man kann es nicht rückgängig machen, was er getan hat, aber auch mir könnte das passieren“, sagt sie.
Levold hebt hervor, dass Paare, die lange zusammenbleiben, oft nicht nur auf Liebe, sondern auch auf tiefe Bindung setzen. Denn Liebe allein ist oft nicht genug, um eine Beziehung dauerhaft zu stabilisieren.
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Bild: Pexels; CC0-Lizenz