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Welttag des geistigen Eigentums: Ein bedeutender Tag oder ein reines Lobbyfest?

Der Welttag des geistigen Eigentums wurde zum ersten Mal im Jahr 2000 ausgerufen. Seitdem hat sich einiges in Sachen Urheberrecht, aber auch in den Branchen selbst getan. Vor 15 Jahren war Google noch ein kleiner Fisch und soziale Medien wie Twitter oder Facebook gab es noch nicht. Sehr viel hat sich vor allem in der Musikbranche getan. Streaming-Dienste sind beliebter denn je, doch was bleibt dabei für die Künstler übrig und wie ist die Stimmungslage in der Branche?

Außerdem: Wohin bewegt sich die Debatte rund um das geistige Eigentum und wie gehen die Menschen mit Piraterie um? Alles Fragen, die an diesem Welttag besonders wichtig erscheinen. Über genau diese Themen sprachen wir mit Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverband Musikindustrie und Leonhard Dobusch, Juniorprofessor für Organisationstheorie an der Freien Universität Berlin, der unter anderem für den Blog netzpolitik.org schreibt.

 

Der umstrittene Begriff des geistigen Eigentums

 

Die Köpfe der Deutschen Content Allianz hat vor dem Hintergrund des Welttags die Bedeutung des geistigen Eigentums für die Branche der Kreativwirtschaft noch einmal unterstrichen. Zur Content Allianz gehört auch der Bundesverband Musikindustrie. Geschäftsführer Drücke: „Dieser Tag ist für uns einfach die Möglichkeit, Leute aus den ganz verschiedenen Bereichen zusammenzubringen. International steht der Tag laut der WIPO unter dem musikalischen Thema, was natürlich sehr schön ist für uns, da die WIPO diesen Tag ja auch eingeführt hat.“

Geistiges Eigentum ist aber durchaus kein unumstrittener Begriff, wie Leonhard Dobusch behauptet: „Geistiges Eigentum ist ein Lobbyisten-Begriff. Beispielsweise hat sich vor Jahren schon das Max-Planck-Institut für geistiges Eigentum umbenannt in Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht. Das ist auch eine Ansage. Man sollte nicht Dinge zusammenmischen, die nicht zusammengehören. Die Immaterialgüterechte sind bewusst anders ausgestaltet als dingliche Eigentumsrechte.“ Der Tag des geistigen Eigentums ist für Leonhard Dobusch ein Lobbyfest.

 

Die Musikbranche ist in einer spannenden Phase

 

Doch wir hängen uns jetzt nicht an Begrifflichkeiten auf, denn die Kunst soll in den Vordergrund gerückt werden. Wie ist überhaupt die aktuelle Lage in der Musikbranche? BVMI-Geschäftsführer Florian Drücke spricht davon, dass die Musikbranche gerade in einer spannenden Phase ist: „Wir stellen am Markt eine gewisse Erholung fest. Ein leicht positives Jahr, zudem gibt es eine starke Vielfalt im Musikangebot, die Streaming Angebote sind sehr stark vertreten, die CD ist stabil in Deutschland und Vinyl boomt auch in der Nische.“ Auch Leonhard Dobusch sieht bei der Musikbranche eine Entwicklung in eine gute Richtung, Piraterie geht zunehmend zurück, dank dem sehr guten und vor allem umfassenden Streaming-Angebot.

Piraterie ist dank weitreichender Streaming-Angebote zurückgegangen. Dennoch ist sie noch ein Problem für die Branche. Das zeigte zuletzt das neueste Album von Björk, das Monate vor Veröffentlichung noch unfertig im Internet geleaked wurde. Ein anderer Fall ist die Serie Game of Thrones, von der ebenfalls 4 Folgen der fünften Staffel vorab auf diversen illegalen Portalen zu finden waren.

„Ein Zeichen dafür, dass sich die Urheberrechtsdiskussion über die letzten zwei Jahre versachlicht hat, ist das Beispiel Björk, hier haben sich die Leute aus Verständnis und Respekt für das künstlerische Schaffen empört. Spannenderweise treten dann User an uns heran und fragen, ob so etwas nicht stärker bestraft werden muss. Wir sind aber eben gerade in dieser schwierigen Phase, in der unklar ist, wer wofür haftet und was man darf. Hier ist Aufklärung ganz wichtig.“ erklärt Florian Drücke ausführlich.

 

Gemeinsam gegen die großen Fische der Online-Piraterie

 

Problematisch ist immer wieder die Bestrafung von Einzelpersonen durch Abmahnkanzleien. Dabei müssten vielmehr die Hintermänner hinter großen und kommerziellen illegalen Seiten zur Rechenschaft gezogen werden. Der BVMI wollte in Zusammenarbeit mit zahlreichen anderen Verbänden und der Werbewirtschaft in einer Initiative gegen die großen Fische der Online-Piraterie vorgehen.

Diese Initiative wurde aber vom Bundeskartellamt gekippt. „Das ist extrem ärgerlich.  Es ist kein Geheimnis, dass die illegalen Download- und Streaming-Portale allein in der Musikindustrie innerhalb der vergangenen zehn Jahre zu einer Halbierung des Umsatzes  geführt und viele Arbeitsplätze gekostet haben. Dass die Aktivitäten von Portalen,  die ihr illegales Geschäft durch  legale Werbeschaltungen finanzieren, nun noch nicht mal durch freiwilligen Verzicht auf Werbeschaltungen eingedämmt werden kann, ist nicht nachvollziehbar. Das von uns vorgeschlagene Modell war auch politisch gewollt, so ist es zumindest im Koalitionsvertrag vereinbart.“

Das Kartellamt hatte da wohl Bedenken und einen Strich durch die Rechnung gemacht. In der Tat ärgerlich, wäre es immerhin ein Signal gewesen, um den Konsumenten zu zeigen, es werde nicht nur der einzelne illegale Downloader an den Pranger gestellt.

Piraterie ist da groß, wo der legale Kunde schlechter da steht, als der illegale. Das betrifft die Musikindustrie, aber vor allem auch Anbieter von Serien und Filmen, meint Dobusch. Die Musikbranche hat komfortable Portale geschaffen, aber auch hier gibt es Probleme mit Geoblocking. „Wieso kann ich nicht im französischen iTunes einkaufen?“, beschwert sich Leonhard Dobusch. Bei Videos ist es noch absurder, hier gucken europäische Konsumenten gegenüber den USA oft in die Röhre und haben somit ein schlechteres Angebot als illegale Nutzer.

In Zeiten von Globalisierung ist Geoblocking nicht mehr zeitgemäß. Die Kunden akzeptieren nicht mehr, dass ihnen bestimmte Inhalte vorenthalten werden. Leonhard Dobusch bringt dazu eine These, dass Piraterie immer wieder Innovationen ankurbelt. Beispielsweise hat Napster aus seiner Sicht zu Innovationen in der Musikbranche geführt, ohne die iTunes niemals möglich gewesen wäre.

 

Was verdienen die Künstler?

 

Eine weitere Frage, die sich stellt: Wie werden die Künstler an den Einnahmen beteiligt? Streaming ist im Boomen, doch verdienen Künstler dadurch überhaupt Geld? Die Band Portishead bekam für 34. Mio Plays gerade einmal knapp 2,000 Dollar, was der Kopf der Band vor gut zwei Wochen twitterte. Doch Florian Drücke stellt klar: „Einnahmen durch Streamingdienste machen bisher noch einen sehr geringen Teil am Markt aus. Diese sind konsequenterweise nicht die Haupteinnahmequelle von Künstlern. Aber in diesem Bereich steckt in Zukunft noch einiges an Potenzial drin.“ Das muss sich für die Künstler definitiv noch verbessern.

Dobusch meint: „Das wir aktuell ein System für die Superstars haben. Die Vorstellung des Premium Streaming-Dienstes Tidal passt da perfekt ins Bild. Es müssen endlich die „Fronten“ zwischen Kunstschaffenden, Labels und Konsumenten, die zum Teil auch selbst mit Mash-Ups kreativ werden, aufgebrochen werden. “

Letztendlich haben wir doch alle das gleiche Interesse. Künstler müssen auch in Zeiten des Internets und dieser Transformationsphase von analog in digital weiterhin Geld an ihren Werken verdienen. Dass dabei eine Neuregelung des Urheberrechts helfen kann, ist unbestritten. Vor allem die Europäische Union beschäftigt sich derzeit mit der Frage nach dem geistigen Eigentum und es bleibt spannend wie die Ergebnisse dazu ausfallen.

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Bildquelle: Paul Hudson über CC BY 2.0