Zwischen Film und Realität: Wer ist der „alte weiße Mann“ wirklich?

In der Komödie „Alter weißer Mann“, die am 31. Oktober 2024 in den deutschen Kinos gestartet ist, gerät Heinz Hellmich, ein von Jan Josef Liefers verkörperter Familienvater, in eine berufliche Schieflage. Der Grund: eine Reihe von Fauxpas, die dem Klischee des „alten weißen Mannes“ folgen – humorvoll überzeichnet, aber dennoch treffend. Nun bemüht sich Hellmich, seinem Chef und einer Diversitätsberaterin zu zeigen, dass er den gesellschaftlichen Wandel verstanden hat. Doch die Tücke liegt im Detail, und erwartungsgemäß läuft einiges schief. Diese filmische Satire spiegelt ein gesellschaftliches Phänomen wider, das zunehmend kritisch diskutiert wird: der „alte weiße Mann“.

Heinz Hellmich (Jan Josef Liefers, nicht im Bild) kämpft nach einigen Fehltritten um seinen Job und lädt dafür Chef und Kolleg*innen zu einer Dinnerparty ein, um sein Image zu retten. Gelingt das? © 2024 LEONINE Studios / Wiedemann & Berg Film

Klischee und Realität: Was macht den „alten weißen Mann“ aus?

Doch was steckt eigentlich hinter diesem Begriff? Die Soziologin Paula-Irene Villa Braslavsky von der Universität München erklärt laut Deutschlandfunk, dass „alter weißer Mann“ kein wissenschaftlicher Begriff ist. Es handelt sich vielmehr um ein Label, das häufig benutzt wird, um bestimmte Mentalitäten in einer sehr verkürzten, stereotypen Form darzustellen. Der „alte weiße Mann“ symbolisiert eine Haltung, die gesellschaftliche Veränderungen ablehnt und in Machtstrukturen verankert ist, die andere Gruppen marginalisiert.

Der Begriff ist nicht nur ein Etikett; er steht für eine umfassende gesellschaftliche und historische Problematik. Laut Villa Braslavsky geht es dabei um die strukturellen Ungleichheiten und Ausgrenzungen, die Menschen außerhalb der Gruppe „alte, weiße, bildungsbürgerliche, nicht-behinderte, heterosexuelle Cis-Männer“ jahrhundertelang erfahren haben. Frauen, Schwarze, Kinder oder auch LGBTQ-Personen sind in der Geschichte oft als „Andere“ markiert worden und leiden aufgrund dieser Kennzeichnung unter Diskriminierung und Stigmatisierung.

Macht und Privilegien: Wer gehört zur Gruppe?

Doch nicht jeder männliche, weiße Senior fällt automatisch in die Kategorie „alter weißer Mann“. Sophie Passmann, Autorin des Buchs „Alte weiße Männer: Ein Schlichtungsversuch“, hebt hervor, dass das Etikett nur auf Personen zutreffe, die Zugang zu gesellschaftlichen Machtstrukturen oder Eliten hätten. Einem einfachen Handwerker oder Bäcker fehle diese Art von Einfluss, sodass sie laut Passmann nicht in das Klischee des „alten weißen Mannes“ passten. Es geht also weniger um individuelle Eigenschaften, sondern vielmehr um die gesellschaftliche Position und den Zugang zu bestimmten Ressourcen, die diese Gruppe von anderen abgrenzt.

Kann Heinz Hellmich (Jan Josef Liefers) vor seinem Dasein als alter weißer Mann davonlaufen? © 2024 LEONINE Studios / Wiedemann & Berg Film

Ursprung des Begriffs: Ein Blick in die Geschichte

Der Ausdruck „alter weißer Mann“ ist nicht neu. Schon in den 1990er-Jahren wurde er in den USA abwertend genutzt. Bereits 1998 soll die amerikanische Feministin Betty Friedan, bekannt durch ihr Buch „Der Weiblichkeitswahn“, die Republikaner als „Haufen dreckiger, alter weißer Männer“ bezeichnet haben. Doch schon Anfang der 90er begann sich der Begriff als politisches Schlagwort zu etablieren, als marginalisierte Gruppen stärker auf ihre Rechte pochten und den Einfluss der traditionellen Eliten infrage stellten.

Die Abfolge der Wörter „alt“, „weiß“ und „männlich“ ist dabei nicht zufällig. Sie spiegelt die Hierarchie der Privilegien wider, wobei das Geschlecht den höchsten Stellenwert hat, gefolgt von Ethnizität und Alter. Diese Reihenfolge betont die Machtverhältnisse und die soziale Position, die diese Gruppe über Generationen hinweg innehatte.

Das Phänomen in Deutschland: Der verspätete Einzug

In Deutschland tauchte der Begriff erst später auf. Eine prominente Nutzung des Labels fand 2012 durch Ursula von der Leyen statt, damals Bundesarbeitsministerin. Sie sprach von der schwächelnden Wirtschaft als einem „old white man“. Der Begriff rückte vermehrt in das öffentliche Bewusstsein, als 2021 das Nachrichtenmagazin Der Spiegel auf seinem Cover einen Mann symbolisch vom Sockel stürzte. Spätestens an diesem Punkt wurde der Begriff in Deutschland als Synonym für eine überkommene, konservative und exklusive Haltung wahrgenommen – eine Identität, die zunehmend als Makel gilt und eine kritische Debatte über Macht und Privilegien anstößt.

Seit dem 31. Oktober 2024 läuft der Film „Alter weißer Mann“ in den Kinos!

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Bild: © 2024 LEONINE Studios / Wiedemann & Berg Film