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Liebe: „Normal“ ist das nicht

Es ist passiert: Schon vor Jahren hat Joanne K. Rowling verkündet, dass Dumbledore, einer der fiktiven Helden aus den Harry Potter-Romanen, schwul ist. Und nun hat er geheiratet, ganz offiziell, ganz im Einklang mit seiner Schöpferin. Mit niemand geringerem als Gandalf aus „Der Herr der Ringe“ ist der Zauberer vor den Traualtar getreten. Die beiden haben sich in Topeka, Kansas das Ja-Wort gegeben und ernten für diese Aktion viel begeistertes Feedback.

Die Hochzeit der beiden Romanfiguren findet fast überall Unterstützung. Die Organisation Planting Peace solidarisiert sich mit Joanne K. Rowlings Idee, die auf diesem Weg die Iren unterstützen willl, die seit Mai gleichgeschlechtliche Ehen offiziell akzeptieren. Firmen aus Topeka belieferten die Hochzeit mit Blumen und Ringen. Und doch stellt sich die Frage, was das eigentlich soll. „Ich kenne keinen Homosexuellen, der das begrüßt. Hier wird veralbert, was normal ist“, lautet der Kommentar einer Leserin auf Spiegel Online und liefert damit einen wichtigen Punkt – nämlich das Problem mit der „Normalität“ der sexuellen Orientierung und der Liebe.

 

Auf der Liste der Krankheiten

 

Gene und Hormone sind nach dem Stand der aktuellen Forschung die Herren über unser Verhalten in der Liebe. Schon 2006 stand im Süddeutschen Magazin ein ausführlicher Artikel über das Phänomen der rosaroten Herzchen – das ist nun fast zehn Jahre her. „Die sexuelle Orientierung hat biologische Ursachen“, fassen die Autoren Bastian Obermayer und Philipp Schwenke die Ergebnisse der Forschung zusammen, „Inzwischen glaubt man zu wissen, dass ein kompliziertes Zusammenspiel von Genen und Sexualhormonen die sexuelle Orientierung in unserem Gehirn verankert. Wahrscheinlich schon im Mutterleib, wahrscheinlich bei Männern und Frauen etwas unterschiedlich und in jedem Fall unumkehrbar. Man wird schwul geboren. Oder lesbisch. Oder hetero.“ 2012 wurde eine Studie eines internationalen Forscherteams um den Evolutionsbiologen William Rice veröffentlicht, die belegt, dass Homosexualität angeboren ist. Sogenannte Epimarker sind in der frühen fötalen Entwicklung dafür verantwortlich, ob man später einem Mann oder einer Frau hinterherlaufen wird.

Bis 1992 tauchte Homosexualität auf einer der Listen der Weltgesundheitsorganisation auf – auf der Liste der Krankheiten. Und obwohl sich seit der Aktualisierung des ICD-Katalogs einiges getan hat in unserer verkorksten Welt der „Normalen“ – von Akzeptanz bis Toleranzbekundungen und öffentlicher Solidarisierung – ist noch nicht genug passiert, wenn eine Hochzeit von Gandalf und Dumbledore als etwas dargestellt wird, was Applaus verdient hat.

 

Das ist nicht witzig

 

Das Problem liegt nicht darin, dass man auch auf der fiktiven Ebene für die Toleranz von Homosexualität wirbt. Das Problem ist eher das, dass es vermeintlich witzig ist – und dadurch Gefahr läuft als etwas Lächerliches abgestempelt zu werden. Erst vor Kurzem schrieb sich SZ-Autor Steffen Jan Seibel seinen Frust über den verfehlten Humor gegenüber Homosexuellen von der Seele: „Dass der Kinosaal lacht, dafür reicht es, wenn jemand auf der Leinwand schwul ist. Und etwas typisch Schwules tut. Das wäre so, als würde das Kino lachen, wenn in einem Film ein alter Mann alt ist und etwas typisch Altes tut. Im Sessel sitzen, zum Beispiel. Finde ich auch nicht besonders lustig.“ Und jetzt eine Hochzeit von zwei Romanfiguren, verkleidet, vor regenbogenfarbenem Hintergrund und mit viel medialem Wirbel?

Steffen Jan Seibel hat Recht – muss das denn sein, dass der einzige Weg, Schwule und Lesben zu akzeptieren, der über die Stereotypisierung ist? Wie sollen wir durch solche Verzerrungen der Realität endlich kapieren, dass Homosexualität nur das ist, wofür auch Heterosexualität steht? Nämlich, dass beides eigentlich nur ein bloßer Ausdruck von Liebe zwischen zwei Menschen ist? Wenn wir weiterhin jedes schwule oder lesbische Paar, das in der Öffentlichkeit Händchenhaltend durch die Gegend läuft, mit Kommentaren wie „Ohh, schau mal, wie süüüß!“ oder mit verächtlicher Ignoranz begegnen, wird das nichts mit der Gleichberechtigung. Erst, wenn wir ein solches Paar vorüberziehen lassen, ohne ihm gleich einen Orden anhängen zu wollen, ist die wirkliche Akzeptanz hergestellt.

 

Normal – oder doch einfach natürlich?

 

Vielleicht liegt ein weiteres Problem in dem Wort „normal“. Es ist schwierig, etwas als „normal“ zu bezeichnen und gleichzeitig alles, was davon abweicht, als „unnormal“ abzustempeln. Die Abstempelei und Schubladenordnerei ist etwas, was durch unsere kulturelle Entwicklung entstanden ist. Da wir denken, die am höchst entwickelte Spezies von allen zu sein, glauben wir auch, über alles urteilen zu dürfen, was auf der Erde so vor sich geht. Allen voran sind es die Vertreter der Kirchen, die gern schnell behaupten, sie wüssten etwa, was sich im Bett gehört und was nicht – und selbst jedoch großartig darin sind, die eigenen Vorgaben schlicht und heimlich (oder weniger heimlich) zu ignorieren. Homosexualität ist nicht normal, nicht von Gott gewollt, unnatürlich, heißt es oft.

Der – wohl einzige – Witz an der ganzen Sache ist aber der: dass Sexualität etwas ist, was natürlich ist. Kultur – das ist etwas, was wir geschaffen haben, es ist ein künstlich geschaffener Zustand, den wir uns selbst aufzwingen. Sexualität jedoch entstammt der Natur, sie ist uns von Geburt an mitgegeben und natürlich. Und sie ist nicht durch unsere Kultur bestimmbar oder lenkbar. Im Tierreich gibt es mindestens 450 Arten, die Sex mit einem Partner desselben Geschlechts haben. Was wir Homo Sapiens schnell verdrängen: Auch wir gehören weiterhin diesem natürlichen Reich an, das uns vorlebt, was wir längst verüberkultisiert haben. Die größte Eigenschaft der Liebe nämlich lautet nicht „normal“ oder „unnormal“, sondern schlichtweg „natürlich“.

 

Keine Tapferkeitsmedaillen mehr, bitte!

 

Normal ist die Liebe also nicht. In keiner Form. Es geht doch auch nicht darum, normal zu sein, wenn man liebt. Die häufigste Aussagen von Psychologen ist wohl: „Ich mag das Wort normal nicht.“ Und es stimmt – wer hat schon das Recht zu bestimmen, was normal ist?

Liebe ist etwas Natürliches. Sie ist etwas, was nicht mit einer Medaille für Tapferkeit behangen werden muss – egal, wer wen küsst, es sollte kein Aufsehen mehr erregen. Erst dann, wenn wir den Applaus für lächerlich kostümierte, inszenierte Hochzeiten beiseite lassen und bei jedem, nicht der Norm entsprechenden Pärchen die Heugabeln und Fackeln stecken lassen, kann die Liebe zu dem werden, was sie eigentlich doch ist: etwas unantastbar Schönes, das zwischen zwei Menschen gleich welchen Geschlechts stattfindet und fernab jeglicher Verurteilung oder Hypisierung stehen sollte.

 

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Bildquelle: Paul Proshin unter CC0 1.0